Reaktionen auf Berliner Corona-Demo: „Die Eingriffsschwelle war hoch“
Der Linken-Abgeordnete Niklas Schrader kritisiert das Vorgehen der Polizei bei der Demo von Corona-LeugnerInnen. Grüne fordern eine Nachbereitung.
Die Linkspartei hat das zögerliche Vorgehen der Polizei während des Demonstration von rund 20.000 Corona-LeugnerInnen kritisiert. Es sei richtig gewesen, deren Demonstration am Samstag zu beenden, sagte der linke Innenexperte Niklas Schrader der taz am Sonntag, schließlich hätten viele tausend Menschen jegliche Regeln des Infektionsschutzes missachtet. „Aber ich frage mich schon, ob das etwas zügiger hätte gehen können. Auch bei Bedrohungen gegenüber der Presse oder beim Tragen verfassungsfeindlicher Symbole schien die Eingriffsschwelle eher hoch gewesen zu sein.“ Bei Demos der linken Szene würde hingegen „meist frühzeitig“ eingegriffen.
Am Samstag waren rund 20.000 Corona-Leugner durch Mitte und über die Straße des 17. Juni gelaufen. Weil die Demonstrierenden weder die Abstandsregeln einhielten noch einen Mund-Nasen-Schutz trugen, begann die Polizei am späten Nachmittag, die Versammlung langsam aufzulösen. Gegen die Veranstalter von Umzug und Kundgebung wurden laut Polizei wegen Nichteinhaltung der Hygiene-Regeln Strafanzeige gestellt. Am Abend ging die Polizei bei einer Demo in Neukölln für den Erhalt linker Projekte mit rund 2.000 Teilnehmenden teilweise rigide vor.
Der grüne Innenpolitiker Benedikt Lux verteidigte das Vorgehen der Polizei. „Wir haben in Berlin ein sehr liberales Versammlungsrecht“, sagte er der taz. Eine Räumung der Demo sei nicht verhältnismäßig gewesen; auch sei von den Teilnehmenden keine körperliche Gewalt ausgegangen. Keinen Mund-Nase-Schutz zu tragen sei keine Gewalt, sondern Gesundheitsgefährdung und eine Ordnungswidrigkeit, die man wenn möglich ahnden solle.
Aber auch Lux betonte, dass die massenhafte gewollte Missachtung der Corona-Auflagen „nicht ohne Konsequenzen bleiben“ dürfe, etwa bei einem möglichen erneuten Aufmarsch. „Der Anmelder und auch die Demo-Klientel haben sich als unzuverlässig erwiesen“, sagte Lux. Man könne deswegen prüfen, ob einzelne Teilnehmende vom nächsten Protest ausgeschlossen werden.
Innensenator Andreas Geisel (SPD) dankte in einem Facebook-Eintrag den Polizisten für ihre Arbeit bei der Demo: „Die Polizei hat auf Verstöße gegen die Demonstrationsauflagen so reagiert wie wir es von ihr kennen: angemessen und professionell. Deshalb wurde darauf hingewirkt, den Demonstrationszug zu beenden.“ Gegen die Veranstalter laufen laut Geisel Strafanzeigen.
Empört zeigte sich der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD). Es ärgere ihn maßlos, dass Menschen aus anderen Teilen Deutschlands nach Berlin kommen, um hier ein Demonstrationsrecht auf Grundlage von Hygieneregeln wahrzunehmen, das sie dann missachteten, sagte Müller in der rbb-Abendschau.
Dem entgegnete die grüne Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann aus Friedrichshain-Kreuzberg mit einem spitzen Tweet: „Was soll die Empörung? Sein Innensenator hatte es in der Hand und entschied sich für den falschen Weg.“
Der Kritik von Herrmann entgegnete Martin Pallgen, Sprecher der Innenverwaltung, mit dem Hinweis, dass die Auflösung einer Demo mit 17.000 Menschen einige Stunden dauere. „Polizeigewalt gegen eine solche Menge, die sich in aggressiver Stimmung befindet, führt erfahrungsgemäß zur Eskalation und dann zu verletzten Menschen.“
Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) nannte den Aufzug in einem Twitterbeitrag „irre“. Der bewusste Verstoß gegen Abstandsregeln und Maskenpflicht sei nicht nur eine Ordnungswidrigkeit, sondern „fahrlässige Gefährdung von Gesundheit und Leben anderer“.
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