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Reaktionen auf „Asylpakt“ der EUEuropa ohne Solidarität

Die Visegrád-Gruppe hält nichts vom neuen „Asyl- und Migrationspakt“ der EU-Kommission. Für Ursula von der Leyen ist das ein herber Rückschlag.

Kinder in einer temporären Flüchtlingsunterkunft auf Lesbos Foto: Yara Nardi/reuters

Brüssel taz | Sie wollte kurzen Prozess machen – und lud die Chefs der osteuropäischen Visegrád-Gruppe zu einem Besuch nach Brüssel. Doch wenn EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen gehofft hatte, so ihren „Migrations- und Asylpakt“ besser verkaufen zu können, dann wurde sie enttäuscht.

„Es gibt keinen Durchbruch“, sagte Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán nach dem Treffen mit von der Leyen in Brüssel. Die Reformvorschläge verfolgten noch immer das Ziel, Flüchtlinge über Quoten in der EU zu verteilen. Das sei mit ihm nicht zu machen.

„Umverteilung und Quoten bleiben Umverteilung und Quoten – egal mit welchem Namen“, sagte Orbán, der zusammen mit dem polnischen Regierungschef Mateusz Morawiecki und Tschechiens Ministerpräsident Andrej Babis die Brüsseler Behörde besucht hatte.

Babis hatte den Kommissionsvorschlag, der auch eine neuartige „Abschiebe-Patenschaft“ vorsieht, noch vor seinem Abflug aus Prag als „Unsinn“ bezeichnet. „Wenn wir keine Migranten akzeptieren, können wir sie nicht abschieben“, sagte er.

Schwerer Rückschlag für von der Leyen

Die EU-Behörde hatte vorgeschlagen, dass jene EU-Staaten, die keine Asylbewerber aufnehmen wollen, sich um die Abschiebung nicht asylberechtigter Migranten kümmern sollen. Zudem will sie die Abschiebung beschleunigen – auch aus Lagern, die an der EU-Außengrenze geplant sind, etwa auf der griechischen Insel Lesbos.

Orban und Babis wollen diesen Plan nicht mittragen. Sie forderten stattdessen, Migranten an der Einreise zu hindern. Deshalb sei es notwendig, „Hotspots“ außerhalb der EU zu errichten und nicht Lager innerhalb. Die Kommission müsse mit afrikanischen Ländern wie Libyen oder Syrien verhandeln, damit die Menschen dort blieben.

Für von der Leyen ist dies ein schwerer Rückschlag. Mit ihrem Vorschlag wollte sie die Blockade lösen, die die EU seit der Migrationskrise 2015 lähmt. Vor allem Ungarn, aber auch die anderen Visegrád-Staaten weigern sich, Asylbewerber aufzunehmen und Länder wie Griechenland zu entlasten. Mit ihrem Reformplan war die CDU-Politikerin den Neinsagern aus Osteuropa weit entgegen gekommen.

Einen frostigen Empfang erhielten die Pläne auch im Europaparlament. Mehrere Abgeordnete warnten im Innenausschuss davor, dass an den EU-Außengrenzen erneut Lager wie das zuletzt abgebrannte Moria entstehen könnten. Sie habe den Eindruck, dass Länder an den Außengrenzen noch immer unter großem Druck stehen würden, sagte die SPD-Abgeordnete Birgit Sippel.

Das Ziel der Solidarität aller in der EU wird verfehlt

Mit Blick auf die vorgeschlagene fünftägige Vorprüfung von Migranten fragte Sippel: „Wie genau können wir sicherstellen, dass dieser Prozess nicht zu Massen-Internierung an den Außengrenzen führt und vielleicht zu einem weiteren Moria?“

Die Linken-Politikerin Cornelia Ernst sagte, es handele sich um einen Pakt für maximale Abschiebungen. Der Vorschlag sei darauf ausgerichtet, dass so wenig Menschen wie möglich nach Europa kämen.

Zustimmung signalisierten dagegen die Konservativen. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber er ist nicht perfekt“, sagte die Christdemokratin Roberta Metsola. Es müsse sichergestellt, dass sich alle EU-Staaten beteiligen. Lena Düpont (CDU) begrüßte den Vorschlag, weil er sich auf „zwei Flaschenhälse“ konzentriere: Rückführungen und Asylverfahren.

Damit der Plan in Kraft treten kann, müssen das Europaparlament und der Ministerrat zustimmen. Im Rat reicht im Prinzip eine qualifizierte Mehrheit, die auch ohne die Visegrád-Staaten möglich wäre.

Doch wenn die Osteuropäer nicht mitziehen, verfehlt von der Leyens ihr wichtigstes Ziel: alle EU-Mitglieder einzubinden und auf eine Form der Solidarität zu verpflichten. Und sei es nur auf eine „Abschiebe-Patenschaft“.

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12 Kommentare

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  • Ich denke, man sollte einfach mal festhalten, dass inzwischen nur noch Deutschland und Italien/Griechenland/Spanien (gezwungenermaßen) bereit sind, Flüchtlinge in nennenswerter Zahl aufzunehmen.

    Es wird schwierig, bei so einer Ausgangslage irgendeinen Kompromiss bezüglich einer "fairen, solidarischen Verteilung" zu finden. Die Osteuropäer sind da nur die Spitze des Eisbergs.

  • "Vor allem Ungarn, aber auch die anderen Visegrád-Staaten weigern sich, Asylbewerber aufzunehmen und Länder wie Griechenland zu entlasten."

    Das ist nicht ganz korrekt. Die griechische Regierung wollte doch nicht, dass Deutschland im Alleingang Menschen aus Moria holt, weil sie befürchtet, dass dann einfach neue nachkommen. Das mag alles sehr inhman sein, oder auch nicht, aber das Hauptproblem mit den Visegradstaaten ist glaube ich nicht, dass sie GR im Stich lassen.

    • @Markus Michaelis:

      "Die griechische Regierung wollte doch nicht, dass Deutschland im Alleingang Menschen aus Moria holt, weil sie befürchtet, dass dann einfach neue nachkommen. "

      Asylbewerber, Geflüchtete in Elendsquartieren Griechenlands, Italien, Malta, Spanien, Zypern, Marrokko aus der Südsahara zur Verfügungsmasse zu machen, ist so kriminell wg Straftatbestandes unterlassener Hilfeleistung wie unmenschlich zynisch, wie wenn ein Arzt Behandlung eines Patienten verweigert mit Verweis auf sein erschöpftes Fall Pauschal Budget

    • @Markus Michaelis:

      "Die griechische Regierung wollte doch nicht, dass Deutschland im Alleingang Menschen aus Moria holt, weil sie befürchtet, dass dann einfach neue nachkommen"

      Das erscheint mir als abgestimmt verbreitete Schutzbehauptung zu intransparentem Zweck unterwegs zu sein, deren sich bezeichnender Weise Bundesinnenminister Horst Seehofer bedient, als käme sie ihm, wie gerufen,, womöglich EU Mittel in Griechenland zu beanspruchen, ohne das Lager Moria seit 5 Jahren als HotSpot durch Athen, Brüssel entsprechend auszustatten, gegenwärtig 300 asylberechtigte Geflüchtete dort zu halten, ohne für diese zahlen zu müssen, aber nominale für sie abzukassieren?, was von anderen EU Ländern stillschweigend wiederum aus intransparenten Zweck klaglos hingenommen wird als Teil galoppierender Korruption im Umfeld des Geschäftes mit Geflüchteten zu deren Nachteil?

  • Die geplanten Abschiebepatenschaften mit der Folge einer Übernahmeverpflichtung im Falle des Missefolges hebeln die Dublin Regeln aus. Hierfür ist ein einstimmiger Beschluss aller Mitgliedsstaaten notwendig.

    • @DiMa:

      Wie absurd konfus monströs perfide das Konstrukt euphemistischer Sprachregulierung „Abschiebepate“ ist, mag dieses Beispiel verdeutlichten, Geflüchteter in Griechenland, Italien, Malta, Spanien, Zypern, wird nach Ablehnung seines Asylantrages administrativ etwa von Estland aus Richtung Abschiebung in sein Herkunftsland betreut, d. h. Personal fliegt zu ihm hin? , wenn nicht wird aus der Ferne alles nach Aktenlage veranlasst, ohne Anhören, Ansehen der Person? Es muss dessen Status, Staatsangehörigkeit, Staatenlosigkeit geprüft werden, damit mit Herkunftsland Abstimmungen zustande kommen, die dessen Rückführung überhaupt ermöglichen unter Berücksichtigung, dass diesem keinerlei Gefahren an Leib, Leben drohen. Dieser Verwaltungsvorgang zieht sich erfahrungsgemäß über Monate, wenn nicht Jahre hin, was passiert in der Zwischenzeit für und mit dem Betroffenen in der Warteschleife, der nach Ablehnungsbescheid aus bisheriger Unterstützung, Versorgung mit Unterkunft, Verpflegung, medizinische Betreuung vor Ort fällt, auf der Straße sitzt, ohne Nachweis von Einkommen keine Wohnung findet, als abgelehnter Asylbewerber keine Arbeit aufnehmen darf, ihn zur Beute von Arbeitssklavenhändlern in der Schattenwirtschaft macht. Vorrausetzungen für fallbezogene Förderung aus EU Fonds sind aber, dass er eine Wohnung findet, Einkommen aus legaler Arbeit nachweist?

  • Ein Rückschlag nicht nur für Frau der Leyen. Viele tschechische Bürger sind schon an ähnliche Rückschläge so gewöhnt, dass es uns nur übrigblebt, uns für diesen Premier zu schämen. Der Respekt, der sich Präsident Havel verschafft hat, ist endgültig vorbei. Orban´s Epigone, wie traurig und erniedrigend. Fort mit allen Populisten, es leben die europäischen Werte

  • Wie will EU Kommissionspräsidentin von der Leyen mit ihrem Asyl-, Migrationspakt Blockaden lösen, wenn sie damit vorhandenes Krisen Instrument EU Massenzustromrichtline 2000 aus Lehren Jugoslawienkrieges ad acta legt, EU Ratsmitgliedern signalisiert, es gibt keine Moria Krise, Niemand in der EU braucht diese Richtlinie auszulösen, was ja bisher trotz Krise Niemand von den Regierungschefs veranlasst hat, auch nicht Bundeskanzlerin Angela Merkel.



    Von der Leyen übergeht in ihrem Asyl-, Migrationspakt administrativ, dass selbst allein 3000 asylberechtigte Geflüchtete auf Lesbos, anders als im EU-Türkei Abkommen vorgesehen, nicht auf andere EU Länder verteilt werden, noch in der Warteschleife bis zur Aufnahme in anderen EU Ländern von EU finanziert werden, wenn sie als Asylberechtigte aus griechischer Unterstützung in Fragen Unterkunft, Versorgung, Arbeitsaufnahme ausgesteuert sind, auf der Straße leben, weil sie weder Wohnung noch Arbeit finden ?

    Von der Leyen hat ihr Bestreben auf das Niveau von Posen abgesenkt, nun soll sie angeblich enttäuscht sein, dass selbst das von den Visegrád-Gruppe Ländern nicht akzeptiert wird? Nein, sie hat aufwendig Ressourcen beansprucht, Arbeitsgeräusche zu verbreiten, Zeit zu schinden, Griechenland, Italien, Malta, Zypern, Spanien mit der EU Asyl-, Migrationskrise weiter allein zulassen, während EU Gelder intransparent in Kassen angeblicher Geflüchteten Förderung fließen, Ausweitung von Korruption voranschreitet. Damit wird Spaltung in EU vertieft, geteilt in jene Länder, die, trotz Corna Pandemie 2020, ungerührt weiter militärische Interventionspolitik u. a. in der Sahelzone, Mali, Niger wie Frankreich, Deutschland betreiben und jene Visegrád-Gruppe Länder, die sich an postkolonialen Projekten nicht beteiligen, EU Gelder zu kassieren ohne diesen Spaltpilz sichtbar machen zu wollen, zu feige, hier EU Parlament, EU Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen aufzufordern, dieses EU Dilemma auf die Agenda zu setzen.

  • Tja? Die Visegrád Staaten unterlaufen (milde gesagt) das Humane Gebot der U. N. O. Menschenrechte, dem die EU verpflichtet ist. Was nun? Das muss m. E. harte Konsequenzen - von Seiten der EU - gegen Visegrád Staaten haben! Es sollte zu irgend humanen Alleingang der Kern EU führen!

    • @vergessene Liebe:

      Das ist die Ursünde die wir begangen haben weil wir kurzsichtig und nur auf unseren Vorteil bedacht, jetzt hat es die EU und wir mittendrin richtig schön erfasst! Die Kurzsichtigkeit mit der wir damals die Dublin Direktive durchgesetzt haben, im Glauben das wir mit dem Asylgesetz nichts mehr zu tun haben würden, da wir im EU Kernland leben und keine EU Außengrenze besitzen, somit brauchten wir doch keine Solidarität üben, mit den Ländern die Flüchtlinge mit voller Vehemenz abbekommen! Diese EU ist zum Scheitern verurteilt, wohin man blickt, es gibt nur landesspezifischer Egoismus, diese EU wird nur durch die Geldzuwendungen zusammen gehalten, von einer vermeintlichen Wertegemeinschaft ist weit und breit nichts zu sehen! Die Wertegemeinschaft ist nur vorhanden, wenn es wieder Geld zu verteilen gibt! Die EU geht jetzt einen Weg der nur in einer Sackgasse enden kann! Moria, ein Bild der Schande für Europa, Griechenland hat sogar das Asylgesetz für 30 Tage ausser Kraft gesetzt. Das war ein absolut bedenklicher Vorgang, ich bin gespannt wann die Meinungsfreiheit temporär ausser Kraft gesetzt wird! Viva Europa!

      • @taz.manien:

        "Die EU geht jetzt einen Weg der nur in einer Sackgasse enden kann! "

        nicht erst jetzt sondern schon lange

    • @vergessene Liebe:

      Ich finde es ungerecht, dass immer nur die Visegrad Staaten in der deutschen Presse die Prügel beziehen. Die Niederlande, Schweden, Dänemark, Malta, um nur einige zu nennen, bettreiben de facto keine andere Migrationspolitik. Der Unterschied liegt doch nur in der Rhetorik und vielleicht einer symbolischen Aufnahme einer Handvoll Migranten. Das ist Heuchelei und die klaren, ehrlichen Aussagen der Visegrad Staaten sind mir da fast lieber.