Reaktion auf Todesurteil gegen Deutschen: Baerbock weist Diplomaten aus
Zwei Mitarbeiter der iranischen Botschaft müssen Deutschland verlassen. Teheran reagiert mit Einreisesperren für Politiker auf EU-Sanktionen.
Baerbock erklärte, sie habe angesichts des Todesurteils den Geschäftsträger der iranischen Botschaft einbestellen lassen. Eine solche Einbestellung gilt als scharfes diplomatisches Mittel. Dem Geschäftsträger sei mitgeteilt worden, „dass wir die massive Verletzung der Rechte eines deutschen Staatsangehörigen nicht akzeptieren“, teilte die Außenministerin weiter mit. Als Folge habe die Bundesregierung zwei Angehörige der iranischen Botschaft zu unerwünschten Personen erklärt und mit kurzer Frist aufgefordert, Deutschland zu verlassen.
Baerbock betonte erneut: „Wir fordern Iran auf, das Todesurteil für Jamshid Sharmahd zu widerrufen und ihm ein faires und rechtsstaatliches Berufungsverfahren zu ermöglichen.“
Keine konkreten Angaben machte das Auswärtige Amt zu Namen und Positionen der ausgewiesenen Diplomaten. Ein Ministeriumssprecher sagte lediglich, man habe die beiden Personen „so gewählt, dass dem Iran die Tragweite der Reaktion in angemessener Weise deutlich wird“. Gleichzeitig habe der deutsche Botschafter in Teheran im iranischen Außenministerium „deutlich“ gegen das Todesurteil protestiert.
Aus Dubai entführt
Die iranische Justiz hatte am Dienstag mitgeteilt, dass Sharmahd wegen Terrorvorwürfen zum Tode verurteilt worden sei. Der Deutsch-Iraner sei der Anführer einer terroristischen Vereinigung und an Anschlägen beteiligt gewesen. Er sei daher wegen „Korruption auf Erden“ schuldig gesprochen worden.
Der in Teheran geborene Sharmahd war in Deutschland aufgewachsen und 2003 in die USA ausgewandert. Er gehört der Oppositionsgruppe Tondar (deutsch: Donner) an, die auch als „Kingdom Assembly of Iran“ bekannt ist. Sie lehnt das politische System der Islamischen Republik Iran ab und tritt für die Wiedereinführung der Monarchie in dem Land ein.
Der Iran hatte Sharmahds Festnahme im August 2020 bekannt gegeben. Nach Angaben seiner Familie wurde der 67-jährige Deutsch-Iraner, der zuletzt in den USA lebte, bei einem Zwischenstopp in Dubai vom iranischen Geheimdienst entführt und in den Iran verschleppt. Im Februar 2022 begann sein Prozess.
Merz fordert Ausweisung des Botschafters
Schon vor der Ausweisung der zwei iranischen Diplomaten hatte CDU-Chef Friedrich Merz ein noch schärferes Vorgehen gegen Teheran gefordert. „Dieses Urteil darf nicht ohne Folgen bleiben“, schrieb er in einem Gastkommentar für die Bild-Zeitung. Der iranische Botschafter persönlich müsse aus Deutschland ausgewiesen werden.
„Die Bundesregierung, Europa, die USA und die Vereinten Nationen müssen den Iran in die Schranken weisen – mit allen Mitteln, die der freien Welt zur Verfügung stehen“, forderte Merz. „Wir müssen alles tun, damit dieses Unrechtsurteil nicht vollstreckt wird. Dazu gehört auch, den iranischen Botschafter in Berlin des Landes zu verweisen.“
Mit dem Urteil hätten die „selbst ernannten Revolutionsrichter“ im Iran „erneut gezeigt, wie wenig ein Menschenleben für sie zählt“, schrieb der CDU-Chef. „Sie entführen, verschleppen, foltern und morden, um jeden Funken von Widerstand im Lande zu ersticken.“
Sanktionen gegen Abgeordnete
Der Iran hat derweil wegen neuer EU-Sanktionen gegen die Führung in Teheran Gegensanktionen verhängt – unter anderem gegen Bundestagsabgeordnete. Wie das iranische Außenministerium am Dienstag mitteilte, wurden insgesamt 23 Personen und 13 Organisationen auf eine Sanktionsliste gesetzt. Die Strafmaßnahmen umfassen demnach Einreisesperren und das Einfrieren möglicher Vermögenswerte im Iran.
Betroffen von den Strafmaßnahmen sind unter anderem die Bundestagsabgeordneten Renata Alt (FDP), Roderich Kiesewetter (CDU) sowie Michael Roth (SPD). Sie hatten sich jüngst kritisch zum Iran geäußert. Die französische Gleichstellungsministerin Isabelle Rome sowie Frankreichs Industrieminister Roland Lescure wurden ebenfalls auf die Sanktionsliste gesetzt. Auch Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, wurde mit Sanktionen belegt.
Die EU-Außenminister hatten am Montag in Brüssel wegen der schweren Menschenrechtsverletzungen rund um die jüngste Protestwelle im Iran neue Strafmaßnahmen beschlossen. Diese trafen 32 Personen und zwei Organisationen. Neben Gefängnisdirektoren, Staatsanwälten und Richtern wurden auch der iranische Kulturminister Mohammed-Mehdi Esmaeili sowie Bildungsminister Jussef Nuri auf die Sanktionsliste gesetzt.
Auslöser der landesweiten Proteste im Iran war der Tod der iranischen Kurdin Jina Mahsa Amini. Sie starb am 16. September im Polizeigewahrsam, nachdem sie von der Sittenpolizei wegen Verstoßes gegen die islamischen Kleidungsvorschriften festgenommen worden war. Die Proteste gegen die repressive Regierung sowie das islamische Herrschaftssystem haben die politische Führung in eine der schwersten Krisen seit Jahrzehnten gestürzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Anschlag auf Magdeburger Weihnachtsmarkt
Vieles deutet auf radikal-islamfeindlichen Hintergrund hin
Keine Konsequenzen für Rechtsbruch
Vor dem Gesetz sind Vermieter gleicher
Wahlprogramm von CDU und CSU
Der Zeitgeist als Wählerklient
Anschlag in Magdeburg
Auto rast in eine Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt
Russische Männer auf TikTok
Bloß nicht zum Vorbild nehmen