Razzien in Braunschweig: Linkes Kulturzentrum durchsucht
Die Polizei hat ein linkes Kulturzentrum und zwölf Wohnungen in Braunschweig durchsucht. Hintergrund sollen Übergriffe auf Rechte sein.
„Eine Personengruppe soll maskiert und bewaffnet im Stadtgebiet überfallartige Angriffe auf stadtbekannte Rechtsextreme verübt haben“, sagte ein Sprecher der Staatsanwaltschaft Braunschweig der taz. Konfisziert wurden bei den Durchsuchungen Datenträger, Unterlagen, Schlagwerkzeuge sowie Waffen.
Um was für Waffen es sich handele, ließen die Staatsanwaltschaft und die Polizei auf Nachfrage der taz offen. Es seien aber keine Schusswaffen. Die Beschuldigten gehören laut einer Pressemeldung der Polizei dem linken Spektrum an.
Ob es sich um eine Gruppe handele, die sich gezielt dafür zusammengeschlossen habe, Rechtsextreme zu überfallen, könne man nicht sagen, hieß es von der Staatsanwaltschaft Braunschweig. Es gibt allerdings Pressemeldungen der Polizei zu mehreren Vorfällen aus dem vergangenen Jahr.
Geschädigte waren Mitglieder der Partei „Die Rechte“
Nach taz-Informationen soll es sich bei einem der Geschädigten um Pierre Bauer handeln. Bauer ist für die rechtsextreme Kleinstpartei „Die Rechte“ als Bürgermeisterkandidat angetreten und stand seinerseits in der Vergangenheit mehrfach wegen Attacken auf politische Gegner*innen vor Gericht.
Seine Kameraden tauchten während der Durchsuchung vor dem alternativen Szenetreff auf, machten Bilder und spotteten auf Telegram. Gleichzeitig bestätigte „Die Rechte“, dass es sich bei den Attackierten um Aktivisten der Partei gehandelt habe. Die waren wohl durch Braunschweig gezogen, um dieses „zeckenfrei“ zu halten, wie sie selbst auf Telegram schrieben.
In den Wochen nach den Attacken habe Bauer auf Kundgebungen auf Personen gezeigt, die dann die Polizei direkt kontrollierte und mitnahm, erzählen Beobachter*innen der Szene aus Braunschweig. Gegen Bauer selbst läuft gerade ein Verfahren wegen Landfriedensbruchs bei der Staatsanwaltschaft Dresden wegen seiner Beteiligung an den Ausschreitungen in Chemnitz 2018.
Rechtsanwalt Rasmus Kahlen aus Göttingen, der mehrere der nun beschuldigten Aktivist*innen aus der linken Szene vertritt, sagte der taz am Telefon, in Braunschweig existiere seit langer Zeit eine aggressive rechte Szene, deren Protagonisten trotz einer Vielzahl von Straftaten nicht zur Verantwortung gezogen worden seien.
Stattdessen würden nun Personen, die der politischen Linken zugerechnet würden, mit Hausdurchsuchungen überzogen. „Ich halte dies für eine skandalöse Fehlwahrnehmung gesellschaftlicher Entwicklungen.“ Kahlen hat Akteneinsicht beantragt und kann noch keine Details zu den Vorwürfen nennen.
Auf der Suche nach Beweisen
Für die Betreiber*innen des selbstorganisierten, nicht-kommerziellen Kulturzentrums Nexus sei die Durchsuchung ein Schock, sagte eine Vorständin des Vereins der taz. Die Polizei habe in dem Gebäude, in dem gerade gebaut werde, ab sechs Uhr morgens zahlreiche Türen aufgebrochen und Räume durchsucht.
Vor Ort war da niemand. Gesucht worden seien wohl Tatmittel. „Es handelt sich um einen politisch motivierten Angriff auf ein offen linkes Zentrum, das auch ein Schutzraum ist für Menschen, die sich für eine solidarische Gesellschaft einsetzen und gegen Rechte aktiv sein wollen“, sagte die Sprecherin des Nexus.
In Braunschweig hätten organisierte Neonazis und extreme Rechte freie Hand, sagte sie. Ob Vernichtungsfantasien auf Kundgebungen, Gewalthandlungen, Bedrohungen und klare Angriffe: Verfahren würden immer wieder eingestellt. Auseinandersetzungen würden bagatellisiert.
„Für uns ist die Durchsuchung ein krasser Angriff, der uns natürlich in unserer Verantwortungsübernahme, als Lehre aus der Geschichte uns antifaschistisch zu positionieren, solidarisch mit Antifaschist*innen zu sein und einen sozialen Ort zu schaffen, nicht abbringt“, sagte die Vorständin des Nexus.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen
Krieg in der Ukraine
Geschenk mit Eskalation
Umgang mit der AfD
Sollen wir AfD-Stimmen im Blatt wiedergeben?
Krieg in der Ukraine
Kein Frieden mit Putin
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Warnung vor „bestimmten Quartieren“
Eine alarmistische Debatte in Berlin