Razzia in Berlin: Großeinsatz gegen Salafistenszene
Die Polizei durchsucht mutmaßliche Islamisten-Treffpunkte. Zwei Verdächtige wegen Vorbereitung einer schweren Gewalttat festgenommen.
Auch in Berlin geht die Polizei nun verstärkt gegen die islamistische Szene vor. Eskortiert von schwerbewaffneten Spezialeinsatzkommandos, durchsuchten Ermittler am Freitag elf Objekte, darunter eine Moschee. Gegen zwei türkische Staatsangehörige wurden Haftbefehle vollstreckt. Die beiden Verhafteten sowie drei weitere in Berlin lebende Türken stehen laut Polizei und Staatsanwaltschaft im Verdacht, eine „schwere staatsgefährdende Gewalttat“ in Syrien vorbereitet zu haben. Auch für die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hätten sie geworben. Anhaltspunkte dafür, dass die Gruppierung Anschläge in Deutschland geplant habe, gebe es aber nicht.
Die Ermittlungen gegen eine aus türkischen sowie russischen Staatsangehörigen tschetschenischer und dagestanischer Herkunft bestehende Islamistengruppe um den Hauptbeschuldigten Ismet D. laufen offenbar schon länger. Die Anschläge in Paris hätten den Zugriff aber beschleunigt, weil die Salafistenszene seither stärker in Bewegung sei, erfuhr die taz aus Sicherheitskreisen. Bei Ismet D. habe es Anhaltspunkte gegeben, dass er Berlin verlassen wollte. Tatsächlich seien bei der Durchsuchung Flugtickets in die Türkei gefunden worden.
In der Moschee getroffen
An der Großaktion am Freitagmorgen waren 250 Beamte und drei Spezialeinsatzkommandos beteiligt. Neben diversen Wohnungen in Tiergarten und Wedding wurde auch der in der Perleberger Straße in einer Ladenwohnung befindliche Hicret-Moschee-Verein durchsucht. In seinen Räumen soll sich die Gruppe getroffen haben. Der Verein wurde nach Informationen der taz vor drei Jahren aus dem Dachverband der Ditib-Moscheen ausgeschlossen, weil er sich zur sehr radikalisiert hatte. Bis heute hängt über dem Eingang ein Ditib-Schild – allerdings stark verblasst und verkehrt herum befestigt.
Der 41-jährige Ismet D., der die Gruppe angeführt haben soll, habe sich selbst zum „Emir“ und „Weisenratspräsident“ ernannt, heißt es in einer gemeinsamen Presserklärung von Polizei und Staatsanwaltschaft. Unter anderem in den Räumen der Moschee habe er die Gruppe mit „Islamunterricht“ radikalisiert und auf die Teilnahme am Dschihad gegen „Ungläubige“ in Syrien vorbereitet.
Bei dem zweiten Verhafteten handele es sich um den für Finanzen zuständigen 43-jährigen Emin F. Zusammen mit D. soll er Mitglieder der Gruppe bei der Ausreise nach Syrien organisatorisch und finanziell unterstützt sowie später erhebliche Geldbeträge für schwere Gewalttaten zur Verfügung gestellt haben. Es bestehe auch der Verdacht, dass ausgereiste Mitglieder mit hochwertigem militärischem Material – etwa Nachtsichtgeräten – ausgerüstet worden seien, heißt es. Belege dafür habe man bei der Durchsuchung gefunden.
Polizei und Staatsanwaltschaft rechnen die Beschuldigten teilweise schon seit Jahren dem gewaltbereiten salafistischen Spektrum zu. Die ideologische Nähe zu terroristischen Organisationen wie dem IS sowie in Syrien kämpfenden tschetschenischen Gruppen sei unverkennbar, heißt es. Die Sonderermittlungsgruppe der Kripo namens „Seminar“ war im Oktober 2014 nach der Festnahme des Berliner Syrienheimkehrers Murat S. gegründet worden. Der 40-Jährige sitzt wegen des Vorwurfs schwerer staatsgefährdender Gewalttaten in Moabit in Untersuchungshaft. Vor seiner Ausreise nach Syrien habe er regelmäßig an Ismet D.s Islamunterricht teilgenommen.
Ender Cetin, Vereinsvorsitzender der zu Ditib gehörenden Sehitlik-Moschee, berichtete der taz, der Hicret-Verein sei erst nach langem Zögern in den Dachverband aufgenommen worden. „Uns war aufgefallen, dass in der Moschee sehr unterschiedliche Meinungen vertreten werden“, so Cetin am Freitag. Mit der Islamauffassung des Vereinsvorstands sei man sehr gut klargekommen. „Aber es gab Ärger mit Leuten, die von außen in die Moschee kamen und dort Unterricht anboten.“ Deswegen sei es später auch zum Streit und zum Ausschluss aus dem Verband gekommen. Die Nachricht von den Festnahmen sei schockierend, so Cetin. „Vielleicht hätte man mehr Einfluss nehmen müssen, zum Beispiel mehr Jugendarbeit anbieten sollen.“
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