Razzia gegen Rechtsradikale in Berlin: Ausgehetzt
Die Polizei durchsucht die Wohnungen von zehn Personen: Sie sollen sich mit flüchtlingsfeindlichen Kommentaren strafbar gemacht haben.
RechtsextremismusexpertInnen warnen schon lange: Das Internet, insbesondere die sozialen Netzwerke, ist zu einem wichtigen Terrain für rechte Hetze und Propaganda geworden. Auf Facebook wird gegen Flüchtlingsheime und ihre BewohnerInnen gehetzt, teilweise im gefühlten Schutz vermeintlicher Anonymität, teilweise aber auch ganz offen unter Klarnamen.
Die Berliner Polizei macht nun offenbar ernst mit der Ankündigung, verstärkt gegen diese Hetze vorgehen zu wollen: Bei einer Razzia am Donnerstagmorgen durchsuchten rund 60 Beamte die Wohnungen von zehn Personen, die verdächtigt werden, sich im Internet in strafrechtlich relevanter Weise geäußert zu haben. In der „überwiegenden Zahl“ der Fälle gehe es dabei um Äußerungen gegen Flüchtlinge, sagte eine Polizeisprecherin am Donnerstagnachmittag. Die Polizei habe bei den Durchsuchungen diverse Computer und Smartphones beschlagnahmt, die nun ausgewertet würden.
Die Durchsuchungen fanden in den Stadtteilen Buch, Niederschöneweide, Bohnsdorf, Marzahn, Hellersdorf, Hohenschönhausen, Kreuzberg, Reinickendorf und Friedenau statt und richteten sich gegen neun Männer und eine Frau im Alter von 28 bis 52 Jahren, teilte die Polizei mit. Zwischen den Personen gebe es nach bisherigen Erkenntnissen keine Verbindungen. Neun der zehn Verdächtigen seien bereits der Polizei bekannt gewesen, in vier Fällen gebe es Vorstrafen wegen rechter Straftaten, darunter mindestens einen Fall der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen.
Zu den konkreten Inhalten der Äußerungen wollte sich die Polizei am Donnerstag nicht äußern. Zu den Ermittlungen hätten in einigen Fällen auch Hinweise von BürgerInnen geführt, die Anzeige aufgrund hetzerischer Kommentare erstattet hatten. Die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus, deren MitarbeiterInnen in der Vergangenheit wiederholt schärferes Vorgehen gegen rechte Hetze auch im Internet gefordert hatten, begrüßte die Durchsuchungen. Im Oktober war eine 29-jährige Marzahnerin vor dem Amtsgericht Tiergarten wegen Volksverhetzung zu fünf Monaten Haft auf Bewährung verurteilt worden, weil sie auf Facebook gegen Flüchtlinge gehetzt hatte.
In einer Pressemitteilung erklärte Innensenator Frank Henkel (CDU) am Donnerstag im Anschluss an die Durchsuchungen, die Polizei gehe in Berlin „konsequent gegen Hassbotschaften vor“. Gleichzeitig forderte er die „Anbieter großer sozialer Netzwerke“ auf, entschlossener gegen solche Äußerungen vorzugehen: „Unternehmen, für die ein weiblicher Körper anstößiger ist als menschenverachtende Hetze, haben da noch einiges aufzuholen.“ Facebook wird seit Monaten dafür kritisiert, Fotos von nackten Brüsten sofort zu sperren, gegen rechte Hetze hingegen kaum vorzugehen.
Am Mittwoch hatte das kalifornische Unternehmen bekannt gegeben, wie viele Beiträge es im ersten Halbjahr 2015 aufgrund von Behördenanfragen blockiert hat. In Deutschland lag die Zahl der gesperrten, also für deutsche NutzerInnen nicht mehr einsehbaren Inhalte in diesem Zeitraum bei 188 – ein deutlicher Anstieg im Vergleich zu den im vorhergegangenen Halbjahr blockierten 60 Beiträgen, aber absolut immer noch eine sehr niedrige Zahl. Laut Facebook soll es sich bei den Beiträgen um gegen nationales Recht verstoßende Hasspropaganda sowie Holocaustleugnung gehandelt haben. Wie viele Beiträge das Unternehmen sperren lässt, weil NutzerInnen sie melden, gibt Facebook nach wie vor nicht bekannt.
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