Rauswurf des Stardirigenten Gergijew: Zu lange mitdirigiert
Gergijew hat nicht nur die Müncher Philharmonie, sondern auch Putins Kulturpolitik mitdirigiert. Sein Rauswurf ist begründet.

Waleri Gergijew leitet das Symphonieorchester des Mariinsky-Theaters im November 2021 Foto: Danil Aikin/imago
Dass der russische Stardirigent Waleri Gergijew für das weltberühmte Orchester Münchner Philharmoniker nach seinem Rauswurf durch den Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt, Dieter Reiter (SPD), am Dienstagvormittag nicht mehr am Pult steht, muss man wirklich nicht bedauern.
Als Galionsfigur eines Klangkörpers hat Gergijew Vorbildfunktion. Dieser hat er schon in der Vergangenheit mit fragwürdigen Äußerungen zur Besetzung der Krim, homophoben Äußerungen und mit Ressentiments gegen die Aktivistinnen von Pussy Riot nicht entsprochen.
Dass er sich bis zum heutigen Tag nicht zum brutalen Angriffskrieg geäußert hat, den sein persönlicher Freund, der russische Präsident Wladimir Putin, vergangene Woche vom Zaun gebrochen hat, für den Gergijew auch im Rat für Kunst und Künste im Kreml sitzt, passt da nur ins reaktionäre Bild.
Auch wenn Gergijew nach wie vor dem Mariinski-Opernhaus in Sankt Petersburg vorsteht, seine millionenschwere Karriere hat nun Kratzer bekommen. Der 68-Jährige mag noch so ein genialischer Maestro sein, der – statt mit Taktstock – stets mit bloßen Händen und rudernden Armen auch heftige Dissonanzen seiner MusikerInnen dirigiert.
Weit heftigere Dissonanzen werfen in der russischen Gesellschaft nun die Särge auf, gefüllt mit den beim Angriffskrieg in der Ukraine getöteten russischen Soldaten. Nicht nur diese Opfer sind in Russland zu beklagen.
Viele Russ:Innen haben Verwandte in der Ukraine und ihnen wird berichtet von der Streumunition, die Zivilisten tötet, von der Massenvernichtung der Kalibr-Marschflugkörper, deren Sprengkraft vom angeblichen Brudervolk nur Schutt und Asche übrig lässt.
Niemand, auch nicht ein Waleri Gergijew, wird in Russland über diesen menschenverachtenden Wahnsinn hinweggehen können. Auch der preisgekrönte Dirigent wird sich den massiven Kriegsverbrechen stellen müssen und er wird sein Bild von Putin als glorreichem Herrscher korrigieren müssen.
Rauswurf des Stardirigenten Gergijew: Zu lange mitdirigiert
Gergijew hat nicht nur die Müncher Philharmonie, sondern auch Putins Kulturpolitik mitdirigiert. Sein Rauswurf ist begründet.
Waleri Gergijew leitet das Symphonieorchester des Mariinsky-Theaters im November 2021 Foto: Danil Aikin/imago
Dass der russische Stardirigent Waleri Gergijew für das weltberühmte Orchester Münchner Philharmoniker nach seinem Rauswurf durch den Oberbürgermeister der bayerischen Landeshauptstadt, Dieter Reiter (SPD), am Dienstagvormittag nicht mehr am Pult steht, muss man wirklich nicht bedauern.
Als Galionsfigur eines Klangkörpers hat Gergijew Vorbildfunktion. Dieser hat er schon in der Vergangenheit mit fragwürdigen Äußerungen zur Besetzung der Krim, homophoben Äußerungen und mit Ressentiments gegen die Aktivistinnen von Pussy Riot nicht entsprochen.
Dass er sich bis zum heutigen Tag nicht zum brutalen Angriffskrieg geäußert hat, den sein persönlicher Freund, der russische Präsident Wladimir Putin, vergangene Woche vom Zaun gebrochen hat, für den Gergijew auch im Rat für Kunst und Künste im Kreml sitzt, passt da nur ins reaktionäre Bild.
Auch wenn Gergijew nach wie vor dem Mariinski-Opernhaus in Sankt Petersburg vorsteht, seine millionenschwere Karriere hat nun Kratzer bekommen. Der 68-Jährige mag noch so ein genialischer Maestro sein, der – statt mit Taktstock – stets mit bloßen Händen und rudernden Armen auch heftige Dissonanzen seiner MusikerInnen dirigiert.
Weit heftigere Dissonanzen werfen in der russischen Gesellschaft nun die Särge auf, gefüllt mit den beim Angriffskrieg in der Ukraine getöteten russischen Soldaten. Nicht nur diese Opfer sind in Russland zu beklagen.
Viele Russ:Innen haben Verwandte in der Ukraine und ihnen wird berichtet von der Streumunition, die Zivilisten tötet, von der Massenvernichtung der Kalibr-Marschflugkörper, deren Sprengkraft vom angeblichen Brudervolk nur Schutt und Asche übrig lässt.
Niemand, auch nicht ein Waleri Gergijew, wird in Russland über diesen menschenverachtenden Wahnsinn hinweggehen können. Auch der preisgekrönte Dirigent wird sich den massiven Kriegsverbrechen stellen müssen und er wird sein Bild von Putin als glorreichem Herrscher korrigieren müssen.
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Schwerpunkt Krieg in der Ukraine
Kommentar von
Julian Weber
Kulturredakteur
Julian Weber, geboren 1967 in Schweinfurt/Bayern, hat Amerikanische Kulturgeschichte, Amerikanische Literaturwissenschaft und Soziologie in München studiert und arbeitet nach Stationen in Zürich und Hamburg seit 2009 als Musikredakteur im Kulturressort der taz
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