Raubkunst aus China in Museen: Waggons voller Kunstobjekte
Bislang denken alle an Afrika, wenn es um die Rückgabe von Raubkunst geht. Doch eigentlich müsste auch viel Kunst aus Deutschland nach China zurück.
Dass sich aber auch zahlreiche Objekte aus China in deutschen Museen befinden, die nicht rechtmäßig nach Europa kamen, war vielen Beobachter*innen der Debatte bislang wenig präsent. „Nach der Niederschlagung der Boxerbewegung kann man davon ausgehen, dass sich 80 Prozent der Pekinger Kulturgüter nicht mehr an ihrem Platz befanden“, berichtet Susanne Knödel, Kuratorin der Abteilung Ost- und Südasien am Hamburger Museum am Rothenbaum MARKK.
Anlässlich des vierten Tags der Provenienzforschung in dieser Woche, an der sich deutschlandweit 120 und in Berlin 16 Museen und Institutionen beteiligen, ist Knödel eine der Redner*innen der Online-Veranstaltung „Spuren des Boxerkriegs in deutschen Museumssammlungen“. Museumsmacher*innen aus Berlin, Hamburg und Frankfurt stellen ihr Projekt vor, wenigstens die ersten der zahlreichen Objekte zu erforschen, die bei der Niederschlagung des Boxeraufstandes geraubt worden sein könnten und sich heute in Deutschland befinden.
Zum Hintergrund: Die so genannten chinesischen Boxer begannen Ende des 19. Jahrhunderts aus Wut gegen den europäischen, US-amerikanischen und japanischen Kolonialismus in ihrem Land ausländisches Eigentum zu zerstören und christliche Missionare und chinesische Christen zu ermorden.
Vergewaltigungen und Enthauptungen
Als die Boxer im Jahr 1900 auch noch mit Hilfe der kaiserlichen Armee das diplomatische Gesandschaftsviertel in Peking belagerten, ließ eine Allianz aus acht Nationen, darunter Deutschland, Soldaten einmarschieren. Sie schlugen den den Aufstand nieder. Nach Zeitzeugenberichten vergewaltigten, erhängten, köpften, vierteilten und weideten sie Personen aus, die sie auch nur verdächtigten, Boxer zu sein oder mit Boxern kooperiert zu haben.
Es folgte eine regelrechte Orgie der Plünderung durch Soldaten, Zivilisten und Missionare, von denen auf der Veranstaltung am Mittwoch anschaulich berichtet wurde. So ist belegt, dass ein amerikanischer Diplomat mehrere Eisenbahnwaggons mit Beute und Kunstwerken füllte und dass die britische Gesandtschaft in Peking jeden Nachmittag Beuteversteigerungen veranstaltete.
Plünderungen über mehr als ein Jahr
Die Plünderungen zogen sich über ein ganzes Jahr und fanden nicht nur in Peking, sondern in ganz Nordchina statt. Katharina Weiler vom Museum für angewandte Kunst in Frankfurt am Main stellt etwa ein wunderschönes Räuchergefäß in Gestalt eines Ochsen aus Cloisonné vor, aus Emaille also. Es ist Mitte des 18. Jahrhunderts in China entstanden und stammt aus der Sammlung von Hermann Dobrikow. Allein, weil sich Dobrikow während der Niederschlagung des Boxeraufstands in Peking befand gilt, das Objekt als verdächtig. Seine Provenienz wird nun erforscht.
Nach einem Bericht des Museums für Asiatische Kunst in Berlin, das seit vergangenem Jahr seine Objekte im Humboldt Forum ausstellt, gelangten „Tausende von Kunstwerken und anderen Artefakten aus den Plünderungen“ in deutsche Museumssammlungen. Dennoch behaupteten deutsche Museumsmacher noch vor wenigen Jahren, ihre chinesischen Sammlungen seien vergleichsweise unverdächtig. Sie seien nach dem Kunstverständnis in den Herkunftsländern selbst aufgebaut worden, weil es dort anders als etwa in Afrika eine viel stärkere Tradition der Kunstgeschichte, des Kunstsammelns und -handelns gegeben habe. Das trauen sie sich heute kaum mehr zu behaupten.
Die Aufarbeitung der Niederschlagung des Boxeraufstands und der Plünderungen im Anschluss hat endlich begonnen. Und auch wenn China bislang keine Rückgabeforderungen stellt, nimmt es seit 2009 Objekte in internationalen Museen auf, die nach der Niederschlagung des Boxeraufstands geplündert wurden und investiert verstärkt in universitäre Projekte, die diese erforschen. Womöglich wird es eines der nächsten Länder werden, in das zahlreiche Kunstobjekte zurück gehen werden.
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