Rassismus und Selbstsorge: Schützt euren Akku!

Jede Woche liefert Deutschland frische rassistische Fehltritte. Wenn People of Color jedes Mal gegenhalten müssen, kommen sie zu nichts anderem mehr.

Demonstranten und Demonstrantinnen der Black-Lives-Matter-Bewegung recken ihre Fäuste

Aufstehen gegen Rassismus ist wichtig, aber kann Schwarze Menschen und PoC auch zermürben Foto: Christian Spicker/imago

Deutschland ist ein großes Tchibo. Nur nicht mit so Produkten im wöchentlichen Angebot, von denen zuvor niemand wusste, dass sie überhaupt existieren. Im Almanya-Wochenprospekt gibt es stattdessen palettenweise Rassismus: Relativierung des Porajmos (das ist die Bezeichnung für den Massenmord an Sin­ti*z­ze und Rom­n*ja während des Nationalsozialismus), menschenfeindliche Kommentare von Journalist*innen, Satire, die nur Witze über das Leid der anderen reißen kann (weil Deutschland führt Humor nicht im Sortiment) oder die Dosis Springer-Papiermüll und -Internetverschwendung. Das deutsche Geschäftsmodell bleibt stabil. Werbeslogan: Jede Woche eine alte Welt.

Ich frage mich mindestens jeden siebten Tag: ignorieren? Oder mich und andere verteidigen? Es ist manchmal eine gute Strategie, die x-te Debatte oder Talkshow oder Instagram-Kachel, die Rassismus reproduziert, einfach beiseitezuwischen. Dafür braucht es Nerven. Wenn ich mich jede Woche um jeden „Ausrutscher“ kümmern würde: Ich würde zu nix mehr kommen.

Andauernd auf die ewig gestrige Menschenfeindlichkeit zu reagieren, kostet Zeit, Energie und Geld. Ressourcen, die bei vielen marginalisierten Menschen knapp sind. Ich bin privilegierter Autor, schreibe und rede hauptberuflich und dennoch zehrt es an den Kräften, sich auf jede (im Nachhinein natürlich missverstandene!) rassistische Tirade einzulassen. Andersherum ist ghosten allerdings nur dann strategisch klug, wenn alle mitmachen. Denn Pfauenfeder-Rassismus ernährt sich von Aufmerksamkeit.

In meiner letzten Kolumne habe ich mich entschieden, mich nicht am Wochenprospekt zu orientieren und meine Aufmerksamkeit dem Leid erfrierender Geflüchteter an den EU-Außengrenzen zu widmen. Die rassistischen Wochenangebote sollen die Emanzipation der Unterdrückten aufhalten und viel Akku verbrauchen. Deswegen haben es vor allem von Rassismus betroffene Menschen verdient, auch mal ganz abzuschalten, sich nicht auf jede Aushandlung ihrer Menschenwürde einzulassen.

Manchmal geht's nicht anders

Dann aber ist es manchmal unmöglich, seine Existenz nicht zu verteidigen. Wichtig ist: Werden Sin­ti*z­ze und Rom*­nja rassistisch angegriffen, müssen marginalisierte Gruppen zusammenstehen und sie verteidigen. Werden Jü­din­nen*­Ju­den antisemitisch angegriffen, müssen marginalisierte Gruppen zusammenstehen und sie verteidigen. Werden Schwarze Menschen, Kurd*innen, Geflüchtete, Queers, Menschen mit Behinderung oder andere verletzbare Minderheiten rassistisch angegriffen, müssen marginalisierte Gruppen zusammenstehen und sie verteidigen.

Natürlich sind vor allem Weiße verantwortlich, die rassistischen Strukturen der weißen Mehrheitsgesellschaft abzubauen. Aber ich will jene von Menschenfeindlichkeit betroffene Communitys ins Zentrum stellen. Tut, was Euch im Moment gut tut! Während unverbesserliche Almans weiter racist Treuebohnen sammeln: Es wird eine Zeit kommen, wo sie sie nicht mehr einlösen können.

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Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Bei Twitter schreibt er unter dem Handle @mamjahid, bei Instagram @m_amjahid. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen.

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