Rassismus in Tschechien: Politiker wegen Hautfarbe attackiert
Der populäre tschechische Politiker Dominik Feri wurde rassistisch angegriffen. Im Internet wird der 22-Jährige deswegen mit Häme überzogen.

Die sozialen Netzwerke sind das Revier Feris, der sich selbst als „nordböhmischer Patriot“ bezeichnet. Und das mit einer gehörigen Prise Humor. Denn Nordböhmen ist seit 1945 das Stiefkind des Landes: bis heute gezeichnet von Industrie, Tagebau, Arbeitslosigkeit, Drogenküchen, Prostitution und Roma-Ghettos. Politisch dominieren traditionell die Kommunisten, nur in den letzten Parlamentswahlen 2017 mussten sie sich gegenüber den Rechtspopulisten der „Partei der direkten Demokratie“ geschlagen geben.
Hier liegen die Wurzeln Dominik Feris: geboren in Kadaň, einer alten Stadt, die früher mal Kaaden hieß und deren gotischer Kirchturm von der Landstraße aus zu sehen ist, die die Kohlekraftwerke der Region mit den Braunkohlegruben verbinden. Aufgewachsen ums Eck, im einst mondänen Kurort Teplice am Fuße des Erzgebirges, engagiert sich Feri schon früh politisch. Hochgewachsen und aufgeweckt, kommentiert er schon als Gymnasiast das Leben im wilden Norden. Oft mit viel Selbstironie, die er besonders gerne auf den sozialen Netzwerken preisgibt.
Er spricht die Sprache seiner Generation. Mit nur 18 Jahren rückt Feri 2014 in den Stadtrat von Teplice nach. Parteipolitisch gibt er sich anfangs unabhängig, aber nahe der liberal-konservativen TOP 09. Im Jahr nach seiner Wahl zum Ratsherrn tritt er in die Partei ein. Sofort findet er dort seinen politischen Mäzen in der grauen Eminenz der Partei, Karel Schwarzenberg. Der heute 81-jährige Aristokrat, der 2013 knapp das Präsidentenamt verpasste, gilt als moralischer Nachlassverwalter des 2011 verstorbenen Präsidenten Václav Havel. Dominic Feri machte Schwarzenberg im Alter von nur 19 Jahren zu seinem Berater.
Ein guter Schachzug, wie sich in den Wahlen 2017 zeigte. Mit einem Stimmanteil von nur 5,31 Prozent schaffte es die TOP 09 buchstäblich in letzter Minute über die Fünf-Prozent-Hürde. Unter den sieben Mandaten, die die Partei im 200-köpfigen Abgeordnetenhaus erlangte, war auch Dominic Feri. Er hatte den Sprung vom letzten Listenplatz des Wahlbezirks geschafft: genau 15.003 Prager Wählerinnen und Wähler nutzten das Angebot des tschechischen Wahlgesetzes, Favoriten unter den Kandidaten mit so genannten Präferinzstimmen zu wählen. Ein Wahlergebnis, das auch nach dem Angriff für sich spricht: 15.003 Wähler gegen zwei besoffene Schläger.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Alles zur Bundestagswahl
Lindner und die FDP verabschieden sich aus der Politik
Wahlsieg der Union
Kann Merz auch Antifa?
Totalausfall von Friedrich Merz
Scharfe Kritik an „Judenfahne“-Äußerungen
FDP bei der Bundestagswahl
Lindner kündigt Rückzug an
Wahlergebnis der AfD
Höchstes Ergebnis für extrem Rechte seit 1945
Bundestagswahl 2025
Mehr gewollt und links verloren