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Rassismus in TschechienLidl-Model im Shitstorm

Lidl wirbt in Tschechien mit einem schwarzen Model für Sportklamotten – und es bricht ein rassistischer Shitstorm los.

It's 2017 – doch schwarze Models sind für manche Tschechen offenbar schwer zu verkraften Foto: dpa

Prag taz/dpa | Pünktlich zum neuen Jahr sorgte der deutsche Discounter Lidl für den Neujahrsknaller in Tschechien. In seinem Prospekt für die zweite Januarwoche hatte der einen dunkelhäutigen Mann abgebildet, der sportliche Klamotten anpries. Wieso man hier jetzt mit „Negern“ Reklame mache, fragte plötzlich eine M.T. auf Facebook. Man lebe in Tschechien und da leben Weiße. Unter anderem war auch die Rede von einer „Ausrottung der weißen Rasse“ durch Multikulturalismus.

Der Knaller ging ab und entfaltete sich dann in den sozialen Netzwerken, wie ein Feuerwerk über einer Stadt. Denn die Diskussion, die losgekickt wurde durch ein paar irre Kommentare über „negroide Rassen“ in „tschechischen Prospekten“ entwickelte sich zu einer gesamtgesellschaftlichen Diskussion über die Ausrichtung Tschechiens.

Ein dunkelhäutiges Modell stehe für eine multikulturelle Gesellschaft, die man in Tschechien nicht wolle, so die Essenz der Kritik, die es seit Dienstag auf der Facebook-Seite von Lidl-Tschechien hagelt.

Ganz große Verschwörungstheoretiker meinen sogar, der Lidl-Prospekt sei im Auftrag der der deutschen Bundesregierung entstanden, die die tschechische Bevölkerung so für den Zuzug von Migranten bereit machen wolle.

Das Netz lacht, Lidl rät

Das Netz macht sich über die Affäre aber vor allem lustig. „Bei Lidl sei es einfacher Kokain in Bananen zu schmuggeln als einen Schwarzen in ein Prospekt“ frotzeln viele Tschechen jetzt auf Facebook, wo sich die ganze Diskussion hauptsächlich abspielt.

Lidl entgegnete dem Shitstorm stoisch mit dem Hinweis darauf, dass man im 21. Jahrhundert lebe, wo Leute verschiedener Nationalitäten zusammen lebten. Den empörten Kunden gab das Unternehmen noch einen Rat: „Je mehr man von der Welt sieht, desto mehr Toleranz entwickelt man gegenüber anderen – darum stammen unsere Models aus allen Enden der Welt.“ Einige Nutzer begrüßten die Reaktion.

Der Ausländeranteil liegt in Tschechien nur bei rund 4,5 Prozent. Während der Flüchtlingskrise schottete sich das Land weitgehend gegen Schutzsuchende ab. Fremdenfeindliche Gruppierungen wie der „Block gegen den Islam“ des Hochschuldozenten Martin Konvicka bekamen in den letzten Monaten verstärkt Zulauf.

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12 Kommentare

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  • Wie überall muss man sich fragen, wo die tiefen Wurzeln dafür liegen. Einfach nur von "Toreranz und 21Jh." schwadronieren erreicht nur die intellektuell Fortgeschrittenen, die keine Gefahr darstellen.

    Ich bin überzeugt, dass dieser Fremdenhass zutiefst urtierisch ist, aber leider nicht intelligent i.S.v. an die aktuellen Verhältnisse adaptiert. Also dient das nicht dem Überleben, sondern folgt nur archaischen animalischen Instinkten und führt letztlich zu Krieg - dem ultimativen Lösungsprozess, einer Karthasis.

    Eine Kultur kann dieses Verhalten der Individuen umlehren und überschreiben. Je besser sie das schafft, umso länger kann sie überleben.

    Die aktuelle Weltwirtschafts-Situation ist eine Krise und hier kommen diese Urtriebe leider wieder durch - in Zeiten des entspannten Überflusses gibt es wenig Anlass zu hassen.

    Da er so tief sitzt, kann man den Hass nicht einfach wegargumentieren - so arbeitet man auf einer zu hohen Ebene. Auch nicht mit Gegenhass - das wäre die gleiche Ebene. Man muss gegen die Ängste vorgehen.

  • Wie überall muss man sich fragen, wo die tiefen Wurzeln dafür liegen. Einfach nur von "Toreranz und 21Jh." schwadronieren erreicht nur die intellektuell Fortgeschrittenen, die keine Gefahr darstellen.

    Ich bin überzeugt, dass dieser Fremdenhass zutiefst urtierisch ist, aber leider nicht intelligent i.S.v. an die aktuellen Verhältnisse adaptiert. Also dient das nicht dem Überleben, sondern folgt nur archaischen animalischen Instinkten und führt letztlich zu Krieg - dem ultimativen Lösungsprozess, einer Karthasis.

    Eine Kultur kann dieses Verhalten der Individuen umlehren und überschreiben. Je besser sie das schafft, umso länger kann sie überleben.

    Die aktuelle Weltwirtschafts-Situation ist eine Krise und hier kommen diese Urtriebe leider wieder durch - in Zeiten des entspannten Überflusses gibt es wenig Anlass zu hassen.

    Da er so tief sitzt, kann man den Hass nicht einfach wegargumentieren - so arbeitet man auf einer zu hohen Ebene. Auch nicht mit Gegenhass - das wäre die gleiche Ebene. Man muss gegen die Ängste vorgehen.

  • Liest man die Kommentare zu diesem Thema auf anderen journalistischen Plattformen, stößt man überwiegend auf Verständnis für den Tschechischen shitstorm.

     

    Wehret den Anfängen!

    • @krokroko:

      "Wehret den Anfängen"? Welche "Anfänge"? Die der Migrantenströme oder die Abwehr derselben?

    • @krokroko:

      Ja, wie überhaupt bei jedem Thema, bei dem es nicht nur um Inländer geht. In die sozialen Netzwerke mag man schon kaum mehr blicken, da man schnell den Eindruck bekommt, man lebe hauptsächlich mit sehr, sehr einfach gestrickten Fremdenfeinden und Rassisten in einem Land.

       

      Vielleicht ist dies aber auch "nur" ein Zeichen dafür, dass diese Leute ihren Hass doch noch nichts so im gelebten Alltag anbringen können, wie es eben in der (relativen) Anonymität des Internets möglich ist.

  • Erziehung ist der Schlüssel.Was haben Eltern,Schule und auch Großeltern vermittelt?Oder sind wir Europäer einfach unverbesserliche Rassisten?Es ist ja auch so schön simpel.

    • @Markus Müller:

      Ups. das habe ich nicht gewußt. Wir "Europäer" sind eine Rasse?

  • 3G
    36855 (Profil gelöscht)

    Diese Reaktionen sind erschreckend.

    Wir leben im Jahr 2017. Hört diese "Beschränkheit" (im wahrsten Sinn des Wortes) in den Köpfen denn nie auf?

    Die Reaktion von Lidl ist sehr begrüßenswert.

  • 1G
    1714 (Profil gelöscht)

    Obwohl man es heutzutage schon erwartet, aber dennoch erstaunt solche Ignoranz und extreme Dummheit immer wieder auf's Neue. Was bilden sich diese Leute denn ein? Sind sie was Besseres und warum?

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Genau, da hasbne Sie absolut Recht und das muß mal gesagt werden. Aber fragen Sie das mal die Migranten - dann sind Sie ein Rassist.

    • @1714 (Profil gelöscht):

      Sie wollen einfach unter sich bleiben. Wie viele andere Völker der Erde auch. Das ist doch vollkommen ligitim.

      • @lord lord:

        Ist es? Wer darf das denn festlegen? Es gibt ja auch Leute, die nicht "unter sich bleiben" wollen, sondern gerne auch Menschen aus anderen Kulturen oder Regionen in ihrer Nähe haben möchten, mit ihnen zusammenleben oder arbeiten möchten.

        Wer sagt denn, dass deren Recht auf eine offene Gesellschaft weniger legitim oder wichtig ist?

         

        Abgesehen von der Kernfrage: Was heißt eigentlich "unter sich"? Wer gehört denn dazu und wer nicht? Auf welcher Basis darf man jemanden aus diesem "unter sich" ausschließen? Und wer hat das zu entscheiden?

         

        Ihre drei knappen Sätze kommen so simpel daher, aber die Einfachheit ist nur simuliert. Die Fragen, die alle damit einhergehen, blenden sie aus. Vermutlich bewusst - ich wage zu vermuten, dass Sie darauf nämlich keine befriedigenden Antworten haben, die über "so wie es schon immer war!" hinausgehen.