piwik no script img

Rassismus im deutschen AlltagDie gefährliche weiße Frau im Park

Menschenfeindlichkeit ist leider allgegenwärtig. Doch während sie in Sozialen Medien stets sichtbar ist, kommt sie auf der Straße oft überraschend.

Spazieren ist gesund, doch können einem Rassisten dabei begegnen Foto: Paul Zinken/dpa

U nd wie war euer Jahreswechsel so? Meiner eher entspannt. Endlich musste ich keine Rechtfertigungsmonologe halten, um an Silvester auf der Couch zu lungern und kurz nach Mitternacht ins Bett zu gehen. So war ich auch am 1. Januar fit und machte mit zwei Bekannten, was man halt so in Pandemiezeiten an Gruppenaktivitäten machen kann: mit Abstand und Maske im Park eine Runde drehen.

Wir haben auf Arabisch über dies und das gesprochen, Updates ausgetauscht, ein wenig geschmunzelt. Es war 18 Uhr und schon dunkel, als aus dem Nichts diese weiße Frau vor uns stand. Es ist nicht ganz klar, ob sie joggte oder auf uns zurannte. Auf dem verwaisten, großzügigen Weg zwischen den kahlen Bäumen liefen wir alle drei außen rechts – wie es sich für die Alman Straßenverkehrsordnung gehört.

White Woman kam auf uns frontal zu und grüßte uns ungebeten mit einem „Ihr dreckigen Araber“. Meine Begleiter*innen und ich waren: sprachlos. Ich selbst habe einfach nicht damit gerechnet, wollte etwas sagen, blieb aber lediglich erschrocken und wie versteinert stehen. Dabei machte die weiße Frau munter weiter.

Sie nannte uns auf Englisch mehrmals „fucking bitches“ und „fucking faggots“ und servierte uns damit innerhalb weniger Sekunden die hässliche, rassistische, sexistische und queerfeindliche Fratze dieser Gesellschaft. Sie rannte dann weg und ich rief ihr (nicht so laut) nach: Racist Shit! Mehr war nicht drin. Sie drehte sich daraufhin um und spuckte auf den Boden, dann verschwand White Woman hinter dem Gebüsch.

Rassismus unterschätzt

Und jetzt? Einige Tage später? Ich ärgere mich noch immer. Vor allem über mich selbst. Ich mache hier in meiner Kolumne auf sassy und schlagfertig (das Ding heißt Nafrichten!). Auf Instagram und Twitter labere ich andauernd von Empowerment und erkläre, wie Betroffene auf Menschenfeindlichkeit reagieren können. Ich werde bezahlt, um Bücher zum Thema zu schreiben. Und dann, im entscheidenden Augenblick, kommt mir nichts über die Lippen. Schwache Leistung, Mohamed!

Es kann sein, dass meine Zurückhaltung am Setting gelegen hat. Dunkler Park mit flackernder Beleuchtung, wie der erste Akt aus einem Fall bei „Aktenzeichen XY“. Ich vertraue in diesen Situationen rassistischen weißen Frauen nicht. Sie sind zu allem fähig. Es kann auch sein, dass wir uns spontan mit Deeskalation nicht in Gefahr bringen wollten, dass manchmal die beste Verteidigung das Einigeln ist.

Es ist am Ende so: Auch ich bin oft überfordert, wenn sich Rassismus, Sexismus oder Queerfeindlichkeit vor meinen Augen zeigen. Klar, auf sozialen Medien bin ich darauf vorbereitet, dass jemand etwas menschenfeindliches sagt oder macht.

Jemand sagt oder macht immer etwas menschenfeindliches. Aber so habe ich nicht damit gerechnet. Wie naiv von mir, die Spontaneität Deutschlands und White Women wieder mal unterschätzt zu haben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mohamed Amjahid
Mohamed Amjahid ist freier Journalist und Buchautor. Seine Bücher "Der weiße Fleck. Eine Anleitung zu antirassistischem Denken" und "Let's Talk About Sex, Habibi" sind bei Piper erschienen. Im September 2024 erscheint sein neues, investigatives Sachbuch: "Alles nur Einzelfälle? Das System hinter der Polizeigewalt" ebenfalls bei Piper.
Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
Kommentarpause ab 30. Dezember 2024

Wir machen Silvesterpause und schließen ab Montag die Kommentarfunktion für ein paar Tage.
  • Der Artikel klingt ausgedacht.

    Und die Kommentare hier triefen auch voller anekdotischer Evidenz.

    Lächerlich und traurig...



    @Wagenbär

  • Ich würde mein Smartphone zücken und ein Foto von der Dame machen (erlaubt, da öffentliches Gelände). Dann sage ich noch trocken: "Sie hören von uns."

  • Eine Frau alleine im dunklen Park, die einfach so drei fremde Männer beschimpft und beleidigt? Nach aller Lebens- und Verhaltenserfahrung finde ich die Geschichte eher unglaubwürdig.



    Erinnert auch etwas von Rex Kramer, dem Gefahrensucher aus "Kentucky Fried Movie".

  • Die Frau kenn' ich.



    Das dürfte die Polizeibeamtin sein, die ich mal darauf angesprochen habe, dass ihre Kollegen gerade eine andere Person völlig unrechtmäßig gwaltsam misshandelten.



    Darauf hat sie mich mit einer Lautstärke, dass mir die Ohren klingelten angebrüllt:



    "SCHREIEN SIE MIR NICHT SO INS OHR!



    WENN SIE MICH WEITER SO ANBRÜLLEN, DANN ZEIGE ICH SIE WEGEN BELEIDIGUNG AN UND NEHME SIE FEST! "



    Also - ich hatte gar nicht "gebrüllt" sondern nur diese Polizeibeamtin.



    Es gibt Situationen, da hilft einfach keine Schlagfertigkeit, und sei auch noch so genial.

  • Ich fürchte ich würde ähnlich reagieren, nämlich so gut wie gar nicht... einfach aus der Überraschung heraus, "das kann doch jetzt grad nicht passieren" und so...

    In diesem Sinne: nachträgliche moralische Unterstützung. Ich will immer noch davon ausgehen, dass derartige... Personen... eine laute aber kleine Minderheit sind.

  • "Auf dem verwaisten, großzügigen Weg zwischen den kahlen Bäumen liefen wir alle drei außen rechts – wie es sich für die Alman Straßenverkehrsordnung gehört."

    Schlecht recherchiert. Links wäre auch OK. Und falsch war in der Dunkelheit das Nebeneinander:

    §25 der kartoffelligen StVO besagt für Fußgänger: "Wer zu Fuß geht, muss die Gehwege benutzen. Auf der Fahrbahn darf nur gegangen werden, wenn die Straße weder einen Gehweg noch einen Seitenstreifen hat. Wird die Fahrbahn benutzt, muss innerhalb geschlossener Ortschaften am rechten oder linken Fahrbahnrand gegangen werden; außerhalb geschlossener Ortschaften muss am linken Fahrbahnrand gegangen werden, wenn das zumutbar ist. Bei Dunkelheit, bei schlechter Sicht oder wenn die Verkehrslage es erfordert, muss einzeln hintereinander gegangen werden."

    Und wie erkennt man in einer Dunkelheit, wo man nicht einmal mehr das Herankommen einer Person bemerkt, die Hautfarbe, Gender und Staatsangehörigkeit eines laufende Menschen, gar noch nach der Begegnung von hinten?