Rassismus im Fußball: Die kicken doch zu woke
Wer im Abseits steht, hält auch den WM-Titel der deutschen U17 für Ausdruck des Niedergangs. Weshalb? Die Spieler sehen nicht wie Hans und Franz aus.
Nach dem Tode kommen die Deutschen in die DDR“, schrieb der norwegische Schriftsteller Jens Bjørneboe in seinem 1966 erschienenen Roman „Frihetens øyeblikk˚, „Im Augenblick der Freiheit“.
Wenn sie jung sind und gut Fußball spielen, kommen junge Deutsche allerdings zunächst in die U17, wo sie alles lernen, um einem in ein paar Jahren als erwachsene Nationalspieler mit WM- und EM-Titeln, bornierten Sprüchen, arroganten Auftritten und fiesen Fouls auf die Nerven zu gehen. Theoretisch jedenfalls, denn natürlich werden nicht alle später Spitzenkicker.
Umso hübscher also, wenn eine U17 Weltmeister wird, bevor das Leben den Traum von der erfolgreichen Profikarriere beendet. Und so könnten nun alle glücklich sein, die jungen Kicker, ihre Trainer, Freunde und Familien und vor allem natürlich die Deutschland!-Fans, die so lange keine Gelegenheit mehr hatten, Fähnchen schwenkend im Siegesrausch durch die Gegend zu fahren oder zu torkeln, was ihnen wirklich schwer zu schaffen macht.
Von wegen. Gegen die minderjährigen deutschen Weltmeister liegt nämlich eine Menge Negatives vor. Beziehungsweise gegen die deutschen Männer, die seit über 30 Jahren „zu Weicheiern erzogen werden“ und nunmehr „Östrogen-Schlappschwänze sind“. Mit anderen Worten: woke. Was man vor allem daran merkt, dass sie nicht mehr Weltmeister im Richtige-Männer-Fußball werden, also außer jetzt 1990 und 2014, aber eben in diesem Jahrzehnt noch nicht.
Biodeutsche Benachteiligung
Man könnte denken, dass gut kickende U17-Spieler ein wenig Hoffnung in den trüben titellosen Alltag dieser Leute bringen würden, aber nein. Deutsche Fußballspieler haben nämlich wie Franz und Hans-Hubert auszusehen, sonst gelten WM-Gewinne nämlich nicht.
Außerdem ist da ja noch die Sache mit der furchtbaren Benachteiligung biodeutscher Jugendlicher, wie ein User gleich nach dem Finale ausrechnete: „Es gibt in Deutschland ca 500.000 Afrodeutsche, entspricht 0,65 %. Erklären Sie mir diesen ca 70-fachen erhöhten Anteil an den Spielern.“
Darauf kann es nur eine Antwort geben: woker rot-grüner Terror – oder so –, der nun auch schon den Fußball erfasst hat. Und so geht das in einer Tour, detailliert seit Tagen unter anderem auf Twitter von Menschen vorgetragen, bei denen es ihrer Wortwahl und allgemeinen Biestigkeit nach zu urteilen nicht mehr wirklich lange dauert, bis sie in die DDR kommen. Und welche die eindeutig zu lange Wartezeit halt damit überbrücken, Bemerkungen über die U17 zu machen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Scholz und Pistorius
Journalismus oder Pferdewette?
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen