Rassismus an Schulen: Dein Feind der Lehrer
Proteste in Cottbus nach Angriff eines Lehrers auf Schüler mit Migrationshintergrund. Der Bildungsminister entschuldigt sich.
Angegriffener Schüler
Die Empörung ist groß: Laute Buh-Rufe ertönen aus dem Pulk der rund 100 Menschen, die sich am späten Dienstagnachmittag aus Protest gegen Gewalt und Rassismus an Schulen und den Umgang der Behörden mit dem Vorfall vor dem Schulamt in Cottbus versammelt haben. „Lehrer! Keine Schläger!“ steht auf einem Schild, das in ein Beet vor dem Gebäude gesteckt wurde. Auf einer Liste haben Teilnehmer*innen Forderungen aufgeschrieben: „Kindesschutz statt Imageschutz“ steht dort unter anderem.
Auslöser der Demonstration ist ein Vorfall aus dem Herbst 2023, der Ende vergangener Woche bekannt wurde: Am 21. September soll ein Lehrer einen 12-Jährigen krankenhausreif geprügelt haben. Dieser erlitt eine schwere Prellung und musste drei Tage stationär versorgt werden. Gegen den Lehrer, der am selben Tag noch einem 12-jährigen tschetschenischen Schüler in den Rücken getreten haben soll, wurde Anzeige erstattet.
Unterrichten durfte der Lehrer nach der schweren Gewalttat zunächst dennoch – wenn auch an einer anderen Schule. Für das Bündnis „Unteilbar Südbrandenburg“, das zu der Demonstration aufgerufen hatte, ein Skandal: Es handle sich um „schwere Fälle rassistischer Gewalt“, so Sprecherin Ulrike Amelung. „Das Schulamt hat versucht, das zu vertuschen“, sagt sie.
Lehrer mittlerweile nicht mehr im Dienst
Das weist der Leiter des Cottbuser Schulamtes von sich. Der Lehrer sei mittlerweile aus dem Dienst entfernt worden, sagt Uwe Mader der taz. Dieser habe „übergriffig“ reagiert. „Das bedaure ich, dafür entschuldige ich mich.“ Dem Lehrer sei das „unangemessene Verhalten“ bewusst gewesen, weshalb er sich sofort nach dem Vorfall an die Schulleitung gewandt und bei der Polizei Eigenanzeige erstattet habe.
Die Schulleiterin habe das Schulamt noch am selben Tag informiert, so Mader weiter. Auch ein Gespräch mit dem Lehrer und dem Vater des 12-Jährigen habe umgehend stattgefunden. Der Lehrer sei daraufhin vom Dienst freigestellt worden und es habe mehrere Dienstgespräche gegeben. Nach Prüfung der Vorwürfe habe er eine Woche nach dem Vorfall einen Antrag auf außerordentliche Kündigung gestellt. „Der Personalrat hat signalisiert, dem Antrag nicht zu folgen“, so der Schulamtsleiter.
Daraufhin habe er die Suspendierung aufgehoben. „Da muss ich im Nachgang sagen, hätte ich die polizeilichen und staatsanwaltlichen Ermittlungen abwarten müssen. Das bedaure ich.“ Noch in dieser Woche wolle er sich mit den Eltern treffen und sich bei ihnen in aller Form entschuldigen.
Dass es sich bei dem Vorfall um Rassismus handelt, glaubt Mader jedoch nicht: Das Schulamt habe nach seiner Beweisaufnahme „nicht feststellen können, dass es rassistisch motivierte Verhaltensweisen durch diese Lehrkraft gegeben hat“.
Polizei prüft rassistisches Motiv
Der Bildungsminister von Brandenburg, Steffen Freiberg (SPD), äußerte sich am Mittwoch im Landtag zu dem Vorfall und bat ebenfalls um Entschuldigung. „Schulen sind dem Wohl von Kindern und Jugendlichen verpflichtet“, so Freiberg, ihre körperliche Unversehrtheit habe „oberste Priorität“.
Brandenburgs Bildungsminister Steffen Freiberg (SPD)
Der Lehrer selbst habe angegeben, dass der Angriff eine Reaktion auf Provokationen einzelner Schüler gewesen sei. „Gewalt gegen Kinder geht gar nicht. So etwas darf nicht passieren, egal unter welchen Umständen“, stellte der Bildungsminister klar. Derzeit sei der Lehrer krank gemeldet, er werde jedoch „nicht in den Landesdienst zurückkehren“. Die Schule erarbeite zudem derzeit ein Schutzkonzept.
Dass man sich zu den laufenden Ermittlungen nicht äußere, habe mit „Vertuschung oder Geheimhaltung gar nichts zu tun“, so der Minister. Die Polizei teilt auf taz-Anfrage mit, dass derzeit noch Zeug*innen gehört werden. Auch ein rassistisches Motiv werde geprüft.
Opferperspektive fordert Maßnahmen
Dem Verein Opferperspektive reicht das nicht. Es sei nicht einmal ein Jahr her, dass das letzte mal wegen rassistischer Vorfälle an einer Schule in Burg vor dem Schulamt in Cottbus demonstriert wurde, sagt Bachir Alali. „Es wirkt so, als hätten Schulbehörden und Bildungsministerium wenig gelernt.“ Sowohl die Entschuldigung der Verantwortlichen bei den Betroffenen als auch die Entfernung des Lehrers aus dem Dienst sei zu spät erfolgt,kritisiert der Verein. Opferschutz und Kindeswohl hätten nicht im Vordergrund gestanden. Es brauche endlich Maßnahmen, „die Schulkinder vor rassistischen Übergriffen schützen“.
Laut Opferperspektive ist die Zahl rechter Gewalttaten in Brandenburg in alarmierender Weise gestiegen – bei deutlich brutalerem Vorgehen. 242 rechtsmotivierte Angriffe zählte die Beratungsstelle im vergangenen Jahr – 75 Prozent mehr als noch 2022. Das Hauptmotiv war bei sechs von zehn Gewalttaten Rassismus. Minderjährige seien dabei zunehmend betroffen. So habe es 2023 in Bildungseinrichtungen 15 Gewalttaten gegen Kinder und Jugendliche gegeben – 2022 war es noch eine.
Die Schüler*innen und Erwachsenen bei der Demonstration vor dem Schulamt wollen das nicht länger hinnehmen. Der Student Kais al Mohammad äußert im Gespräch mit der taz Enttäuschung über die Feindseligkeit gegenüber Migrant*innen in der Region. „Sie sind auf der Suche nach Sündenböcken für ihre Unzufriedenheit“, sagt er.
Auch die Familie des angegriffenen syrischen Schülers ist gekommen. „Das war nicht nur ein Angriff auf mein Kind, sondern auch auf die Werte dieser Gesellschaft“, lässt der Vater in einem Statement verlesen. Schulen müssten Orte der Bildung und Toleranz sein, wo jedes Kind willkommen ist. „So etwas darf nie wieder passieren – nicht nur in Cottbus, sondern überall. Lasst uns dafür kämpfen.“
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