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Rapperin Finna über HipHop und Politik„Wut ist mein Motor“

Rapperin Finna macht mit ihrer Musik Front gegen Egoismus und Diskriminierung. Im Gespräch erzählt sie, wie HipHop und linke Politik zusammengehen.

Die Rapperin Finna ist Teil des feministischen HipHop-Kollektivs Fe*­Ma­le Treasure Foto: Katja Ruge
Ruth Lang Fuentes
Interview von Ruth Lang Fuentes

taz: Finna, gleich Ihr allererster Song aus dem Jahr 2015 heißt „Musik ist Politik“. Ist das heute sogar noch relevanter?

Finna: Ich wünsche mir nach wie vor, dass Musik einen politischen Anspruch hat. Dass Leute, die Musik machen, die politische Dimension dahinter verstehen und dass die Message ankommt, die sie verbreiten. Wenn wir uns komplett aus der Verantwortung ziehen und sagen, Musik sei unpolitisch und soll nur maximal viele Leute erreichen, dann verblödet die Masse. Deswegen wünsche ich mir, dass mehr links-politische Themen Platz finden in der Musik.

Im Interview: Finna

ist Rapperin, Sängerin und Teil des feministischen HipHop-Kollektivs Fe*­Ma­le Treasure. Sie lebt in Hamburg. Ihr Debütalbum „Zartcore“ erschien 2022 bei Audiolith/Indigo.

Kommende Konzerte: 7. 11. 24 „Hafenbounce“ Hamburg, 16. 11. 24 „Werk2/Kulturfabrik“ Leipzig, 23. 11. 24 „WD-42 Festival“ Bremen

taz: Sind Sie links?

Finna: Ich bin auf jeden Fall eine Zecke, das krieg ich nicht aus mir raus. Ist auch gut so.

taz: Was bedeutet links für Sie?

Finna: Sich gegen Diskriminierung einzusetzen und nicht passiv alles geschehen zu lassen, sondern mit dem Widerstand der Zeit gehen: klimapolitisch, genderpolitisch, sich gegen Rassismus einsetzen, gegen Antisemitismus, antimuslimischen Rassismus … das bedeutet auch, Sachen zusammendenken. Mir geht es auch um mehr soziale und wirtschaftliche Gerechtigkeit, also, um eine gerechtere Verteilung von Ressourcen und Chancen.

taz: HipHop ist eher das Gegenteil von links. Warum haben Sie sich ausgerechnet fürs Rappen entschieden?

Finna: Geschichtlich betrachtet geht es bei HipHop darum, sich ­gegen Unrecht, Diskriminierung und polizeiliche Repression, auszusprechen. Es entstand in der black culture. Und ich bin dankbar, dass ich Teil davon sein darf. Historisch ist HipHop immer politisch gewesen. Nur irgendwann ist es vom Kapitalismus aufgefressen worden. Ich habe mit Rappen angefangen, weil ich mich inspiriert fühlte von Sookee, Lena Stoehrfaktor und FaulenzA,… Rapperinnen, deren Stil mir gut gefällt. Als Künstlerinnen tragen sie Inhalte nach vorne, mit denen ich politisch auf jeden Fall mitgehen kann.

taz: In „Traum vom Leben“ reimen Sie, dass Leute verlangen, Sie sollen nicht so radikal sein. Wie radikal sind Sie denn?

Finna: Wenn radikal heißt, ein Problem an der Wurzel betrachten zu wollen und Veränderungen schaffen zu wollen, bin ich radikal.

taz: Machen Menschen wie Sie der AfD Angst?

Finna: Das wünschte ich. Und ich wünsche aber vor allem, dass wir als Kollektiv mehr Power haben, einen Dialog mit dem Mainstream zu führen. Viele Leute beschäftigen sich nicht mit Themen, von denen sie nicht direkt betroffen sind, und dann bilden sie sich Meinungen, die oft totaler Bullshit sind.

Es braucht mehr Berührungspunkte, um zu erfahren: Wie fühlen sich Menschen, die von Diskriminierung betroffen sind, wie fühlt sich eine fette queere translesbische Mutter? Das bin ich. Und wenn Leute mit mir reden, merken sie, ich bin ein ganz normaler Mensch.

taz: Machen Sie darum auch Workshops für junge Leute?

Finna: Ja, ich unterrichte einen Beatschmiede-Workshop und ein Songwriting-Workshop im Frauen*-Musikzentrum in Hamburg. Da bin ich einmal die Woche mit jungen Queers und Mädchen. Und ich habe auch mal ein Bodylove-Rap-Projekt in Berlin gemacht, zusammen mit Maja Classen, um Gewaltprävention, Anti-Mobbing-Arbeit und das Selbstbewusstsein von Kindern in ihrem eigenen Körper zu stärken und das in Raptexten zu verarbeiten. Sogenannte Problemkinder, die sozial auffällig sind, haben dort durch Rap ein Werkzeug gefunden, um sich auszudrücken.

taz: Bei den Landtagswahlen in Ostdeutschland haben viele junge Leute rechts außen gewählt. Ist das ein Thema bei den Workshops?

Finna: Bei den meisten jungen Menschen stelle ich fest, dass viele Gedanken noch nicht gefestigt sind. Oft ist erst mal nur ein Gefühl da, dass etwas ungerecht ist. Aber die Lösungsansätze sind häufig solche, die in den Massenmedien oder im Netz bei Tiktok präsentiert werden, und da ist die AfD nun mal weit verbreitet. In Workshops können wir andere Lösungen bieten und erklären, dass Gleichberechtigung nicht heißt, dass dir, deinen Eltern oder deiner Oma etwas weggenommen wird.

taz: Wie kommt das an?

Finna: Total gut. Man muss sich eben mit den Gedanken auseinandersetzen, dass die jungen Leute nicht automatisch links sind, man muss erklären und in den Dialog gehen. Aber links sein macht halt Sinn. Man kann es logisch erklären und nachvollziehen. Es braucht mehr linke Positionen in den sozialen Medien, gerade bei Tiktok.

taz: Was macht Sie wütend?

Finna: So viel! Ich schwöre! Am meisten, dass Diskriminierungsformen gegeneinander ausgespielt werden und wir deshalb zu wenig Power haben, dem erstarkenden ­Faschismus, etwas entgegenzusetzen. In linken Kontexten kommt es zu immer mehr Spaltung. Es finden zu wenig echte Dialoge zwischen den Menschen statt, es wird zu viel in den Kommentarspalten diskutiert. Und was mich noch wütend macht, ist die Gender-Ungerechtigkeit. Ich bin seit fünfeinhalb Jahren in einer trans lesbischen Beziehung und merke, wie schwer es Trans- und nichtbinäre Personen haben.

taz: Warum?

Finna: Queerfeindlichkeit hat zu wenig Sichtbarkeit, es sei denn, es ist gerade CSD und es gibt Regenbogensmoothies bei Rewe.

taz: Und was macht Sie eigentlich glücklich?

Finna: Kollektive, Netzwerke, Freund:innenschaften, wenn Leute sich gemeinsam für eine bessere Welt einsetzen. Während der Pandemie habe ich mit ein paar Leuten „Tour d’Amour“ gegründet, um Sach- und und Kleiderspenden nach Moria und Lesbos zu bringen. Die leeren Clubs haben wir als Sammelstellen benutzt. Wir waren so stark als Kollektiv, … davon kriege ich noch immer Gänsehaut.

taz: Vor Kurzem haben Sie im Berliner Club „About Blank“ in einem Song gesungen, dass Sie Hass empfinden gegen den Hass.

Finna: Genau. Ich brenne alles ab, gegen den Hass!

taz: In Ihren Songs geht es oft darum, nicht hart zu werden in einer verhärteten Gesellschaft. Wie schaffen wir es, zusammen vom Hass wegzukommen?

Finna: Der Kapitalismus hat uns den Egoismus so krass anerzogen, dass wir den erst mal verlernen ­müssen, um in Kollektiven überhaupt funktionieren zu können. Es braucht mehr Dialog und Diskus­sionskultur für Fehler und mehr Verständnis.

taz: Sind Sie auf der Bühne auch verletzlich?

Finna: Es ist wichtig, Zerbrechlichkeit als Stärke nach außen zu tragen. Wenn Menschen sich verletzlich zeigen, können sie mehr Empathie untereinander gewinnen.

taz: Und was den Umgang mit der AfD angeht: Riot oder Dialog?

Finna: Riot.

taz: Also Mittelfinger gegen die AfD?

Finna: Immer. Mich macht das alles unglaublich wütend. Aber auch depressiv. Meine Therapeutin sagte einmal, Wut bringt auch einen kleinen Abstand rein, sodass man Dinge von außen betrachten kann. Wut ist ein Motor, der mich nach vorne und in Aktion bringt. Wenn ich Angst habe, lähmt mich das eher. Deshalb zücke ich auf jeden Fall meinen Mittelfinger.

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