Ramaphosa vs. Zuma: Südafrikas 30-jähriger Krieg
Seit dem Ende der Apartheid bestimmt die Rivalität zwischen Jacob Zuma und Cyril Ramaphosa Südafrikas Politik. Nun könnte sie entscheidend werden.
Die Geschichte des ANC seit Südafrikas Befreiung 1994 ist in großen Teilen die Geschichte der Rivalität zwischen diesen beiden Figuren, die unterschiedlicher kaum sein könnten und die dennoch im Schicksal untrennbar vereint erscheinen. Als Südafrikas weiße Apartheidregierung 1990 den schwarzen Freiheitskämpfer Nelson Mandela aus der Haft entließ, den ANC legalisierte und den Prozess der Demokratisierung einleitete, war der damals 37-jährige Ramaphosa Südafrikas mächtigster Gewerkschaftsführer und neben Mandela eines der sichtbarsten schwarzen Gesichter in Südafrikas neuer multiethnischer Politik. Der damals 48-jährige Zuma hingegen agierte im Hintergrund: Nach einer langen Zeit als politischer Häftling und im politischen Exil war er Chef des ANC-Geheimdienstes.
Zuma kam aus einfachen Verhältnissen, Ramaphosa war studierter Jurist. Zuma verkörperte den militärischen ANC-Untergrundkampf, Ramaphosa die ANC-Metamorphose zu einer politischen Partei. Beim ersten legalen ANC-Parteitag 1991 setzte sich Ramaphosa in einer Kampfabstimmung gegen Zuma als ANC-Generalsekretär durch, das wichtigste Parteiamt neben Parteichef Mandela. Zuma wurde Ramaphosas Stellvertreter.
Beide waren an Massaker an Bergarbeitern nicht unbeteiligt
Aber Ramaphosas Ambitionen, Mandela an der Staats- und Parteispitze zu beerben, erfüllten sich nicht. Er zog sich aus der Politik zurück und wurde zum Geschäftsmann und Multimillionär, der dank der ANC-Politik der gesetzlichen Bevorzugung schwarz geführter Unternehmen bald über das größte schwarze Firmenimperium Südafrikas regierte. Zuma hingegen stieg politisch auf und wurde unter Mandelas Nachfolger Thabo Mbeki Vizepräsident. Zunehmende Vorwürfe von Affären, Vergewaltigung, HIV-Leugnung oder Korruption kosteten ihn 2005 zwar das Amt, aber am Ende musste auch Mbeki den Hut nehmen. Zuma brauchte nur die Scherben aufzusammeln, um als neuer ANC-Chef ab 2007 und neuer Staatschef 2009 die Führung Südafrikas zu übernehmen.
Wie sehr der ANC bereits auf Abwege gekommen war, erwies sich 2012, als Südafrikas Polizei in der Stadt Marikana am helllichten Tag auf streikende Bergarbeiter schoss und ein Massaker mit 34 Toten anrichtete. Ramaphosa gehörte zu den Bergbauunternehmern, die ein hartes Vorgehen gegen die Streikenden gefordert hatten. Zuma führte die Regierung, die das umsetzte und hinterher die Bergleute selbst für ihren Tod verantwortlich machte. Noch im selben Jahr wurde Ramaphosa Zumas Stellvertreter.
Das Marikana-Massaker markiert den politischen Bankrott des ANC. Zuma ruinierte dann auch den Staat. Er belohnte private Geschäftsfreunde mit Zugriff auf staatliche Auftragsvergaben und politische Entscheidungen bis hin zur Besetzung von Ministerposten. Diese auch als state capture bezeichnete Korrumpierung politischer Institutionen brachte ihn schließlich zu Fall. Sein Nachfolger wurde Ramaphosa, erst 2017 als ANC-Chef und dann 2018 als Staatschef – die späte Erfüllung eines alten Traums.
Zuma schwor Rache. Er akzeptierte die von Ramaphosa ermutigte konsequente Strafverfolgung seiner Korruptionsaffären nicht. Als Zuma wegen Missachtung der Justiz zu einer Gefängnisstrafe verurteilt wurde, führte das 2021 zu Südafrikas schwersten Unruhen seit Ende der Apartheid mit mehreren Hundert Toten. Wieder spielten Ramaphosa und Zuma die Hauptrollen in einer blutigen Tragödie.
Zumas Rache kommt nun spät, aber umso heftiger. Mit seiner neuen Partei unter dem alten Namen des einstigen bewaffneten Untergrundflügels des ANC hat der mittlerweile 82-Jährige dem ANC die größte Niederlage seit Ende der Apartheid beschert. Ob der mittlerweile 71-jährige Ramaphosa sich halten kann, ist offen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert