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Ralf SotscheckKolumne fällt aus wegen Feiertag

Wenn im Kalender ein falscher Tag steht, dann kann das nur irische Gründe haben. Denn auf der grünen Insel sind Festtage traditionell flexibel.

D ieser Montag ist ein Feiertag – wenn man ©TOMs taz-Kalender glauben darf, der Ende vorigen Jahres der Zeitung beilag. Dort steht unter dem heutigen Datum: Fronleichnam. Die katholischen Leserinnen und Leser dieser Zeitung waren entsetzt, uns haben zahlreiche Protestbriefe erreicht. In Wirklichkeit wird der Tag nämlich sechzig Tage nach Ostern und zehn Tage nach Pfingsten gefeiert und liegt deshalb immer auf einem Donnerstag, in diesem Jahr also am 19. Juni.

Hat sich der Witzbildchenzeichner geirrt? Oder ist er gar Protestant? Mitnichten. ©TOM war oft bei uns in Irland, und hier hat er gelernt, dass es keine Feiertage mitten in der Woche gibt. Sie werden stets auf einen Montag verlegt, damit die Iren sich über ein langes Wochenende freuen können. Dasselbe gilt für Feiertage, die auf ein Wochenende fallen. Die Iren glauben nicht an das dämliche Konzept von arbeitgeberfreundlichen Jahren.

Fallen zum Beispiel die Weihnachtstage auf einen Samstag und Sonntag, sind stattdessen der folgende Montag und Dienstag frei. Und ist Ostern an einem Sonntag, gibt es den Montag frei. Der Erste Mai ist immer der erste Montag des Mai. Und den Pfingstmontag, der eigentlich flexibel ist, hat man auf den ersten Montag im Juni gelegt, damit man es sich besser merken kann.

Fronleichnam hat nichts mit einem „Happy Cadaver“ zu tun, wie der uralte Witz von Generationen von Grundschülern lautet, sondern „Fron“ kommt vom mittelhochdeutschen Wort „Vron“, was so viel bedeutet wie „Herr“, und mit Leichnam ist nicht der Tote, sondern der Leib gemeint. Bischof Robert von Lüttich führte das Fest für sein Bistum 1246 ein. Im Jahr 1264 legte Papst Urban IV. fest, Fronleichnam am zweiten Donnerstag nach Pfingsten zu begehen.

Katholiken feiern an dem Tag die Verwandlung von Brot und Wein in Leib und Blut Christi – eine törichte Art von Alkoholvernichtung. Umgekehrt wäre es besser, da würde mir Jesus zustimmen. Er hat es vorgemacht und Wasser in Wein verwandelt.

Fronleichnam ist in Deutschland nicht überall gesetzlicher Feiertag, sondern nur dort, wo überwiegend Katholiken leben. Katholische Schülerinnen und Schüler können sich an Fronleichnam vom Unterricht befreien lassen. Was habe ich diese Klassenkameraden in der Michael-Grzimek-Grundschule beneidet, wenn die halbe Klasse an allen möglichen obskuren katholischen Feiertagen zu Hause blieb, während wir Anders- oder Nichtgläubigen die Schulbank drücken mussten.

Der taz-Kalender liegt nicht gänzlich falsch, Montag ist tatsächlich Feiertag: Bloomsday, benannt nach der Hauptfigur in James Joyce’ Jahrhundertwerk „Ulysses“, das am 16. Juni 1904 spielt. Es war der Tag, an dem Joyce zum ersten Mal Sex mit seiner späteren Frau Nora Barnacle hatte. Das ist ein besserer Grund für eine Feier als die Verwandlung von Alkohol in Blut.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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2 Kommentare

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  • Der Bloomsday, ach ja.



    In Dublin ein auf den Straßen begangener Feiertag.

    Wir brauchen mehr Feiertage.



    Wodurch sonst als durch die höhere Anzahl an Feiertagen ist der wirtschaftliche Erfolg Bayerns trotz CSU zu erklären?

  • Wasser zu Wein 🍷



    Ist schon fein 😇