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Ralf SotscheckHeilige Scheiße – Helly Aa!

Die Kapitale der schottischen Shetlandinseln heißt Lerwick. Dort trägt sich voll verspätet gar Revolutionäres zu: Frauen sind dabei beim Wikingerfest.

E ndlich dürfen auch Frauen Schiffe abfackeln. Es wurde auch Zeit. Das Wikingerfest Up Helly Aa in Lerwick auf den Shetland­inseln, das immer am letzten Dienstag im Januar stattfindet, hat das Verbot der Teilnahme von Frauen aufgehoben. Das galt zwar schon 2023, aber weil das Festival lange vorher an der Kapazitätsgrenze angelangt war, konnten „die Reformen nur schrittweise erfolgen“, so Robert Geddes, der Sekretär des Organisationskomitees.

Up Helly Aa ist das größte Feuerfest in Europa, es stammt aus der viktorianischen Zeit und sollte ursprünglich zur Enthaltsamkeit anregen. Das ist von Anfang an schiefgegangen. Die Veranstaltungen dauern bis zum nächsten Morgen, und der Mittwoch danach ist ein Feiertag, damit die Teilnehmer sich von ihrem Kater erholen können.

Voriges Jahr durften die 16-jährige Jenna Moar und ihre drei Cousinen in ihren handgefertigten Uniformen zum ersten Mal als vollwertige Mitglieder der Jarl-Truppe, der axtschwingenden Wikinger, mitmischen. Angeführt wurden sie vom Guizer Jarl, dem Chefwikinger, den jedes Jahr ein Ausschuss wählt. Das war 2024 Moars Vater Richard, der im Alter von 14 Jahren als Geigenkofferträger-Lehrling angefangen hatte.

Mit 31 Familienmitgliedern von den Shetlands, aus Norwe­gen und London hatte er das Langschiff, die Wikingergalee­re, gebaut, die zum Höhepunkt des Festes in Flammen aufging. Es erscheint irgendwie töricht, in monatelanger Arbeit ein seetaugliches Schiff zu bauen, um es dann anzuzünden. Warum sollten Wikinger überhaupt ihre Galeere verbrennen? Früher rollten die Einheimischen gerne Fässer mit brennendem Teer durch die Stadt, was zwar etwas weniger närrisch erscheint, aber 1874 verboten wurde. Das Festival in der heutigen Form, dessen Name aus dem nordischen Dialekt Norn abgeleitet ist, findet seit 1881 statt.

Frauen, die nie in den Pub gehen und trinken

Auf den 15 bewohnten Shetlandinseln gibt es zehn weitere Up-Helly-Aa-Festivals, an denen Frauen und Mädchen seit Jahrzehnten teilnehmen dürfen, doch in der Hauptstadt Lerwick blieben sie außen vor, weil „Frauen selten tranken und nie in den Pub gingen“, so die Begründung. Sie waren traditionell auf die Rolle der Hostessen beschränkt und durften nur die nächtlichen Partys in Lerwicks Gemeindesälen organisieren.

Manchmal hatten sich aber ein paar Frauen als Männer verkleidet und sich heimlich unter die tausend Fackelträger gemischt. 2018 versuchten Aktivisten in Lerwick, eine gemischte Gruppe mit dem ­Namen ­#metoo für das nächste Festival anzumelden, wurden aber an der Einreichung ihrer Bewerbung gehindert. Noch haben die Patriarchen vom Organisationskomitee, die sich gegen Frauen gesträubt haben, eine Galgenfrist. Es wird lange dauern, bis sie einem weiblichen Guizer Jarl hinterherlaufen müssen: Man muss 16 Jahre im Up-Helly-Aa-Ausschuss arbeiten, bevor man Chefwikinger werden kann.

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Ralf Sotscheck
Korrespondent Irland/GB
Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net
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