Ralf Pauli über das symbolische Referendum in Venezuela: Scheinheilige Opposition
Gewiss, Venezuelas Präsident Nicolás Maduro ist alles andere als ein Demokrat. Seine sozialistische Regierung verweigert Bürgermeister- und Gouverneurswahlen, blockiert nach allen Regeln der Kunst ein Referendum zur Abwahl des Präsidenten, bewaffnet Paramilitärs und nimmt lieber hunderte Tote in Kauf, statt Verantwortung für die schwere Wirtschaftskrise in dem reichen Erdölstaat zu übernehmen.
Dass die Opposition diese Regierung abwählen will, ist allzu verständlich. Zumal der Präsident unverhohlen versucht, Neuwahlen durch eine Verfassungsänderung zu umgehen. Gegen diesen Trick haben nun knapp sieben Millionen VenezolanerInnen gestimmt. Dieses symbolisches Referendum ist ein weiterer Beweis für die große Unzufriedenheit. Nur: Sie bezeugt nicht, dass das „Volk“ – wie die Opposition behauptet – ihr mehr vertraut als der Regierung.
Viele der PolitikerInnen, die heute laut „Diktatur“ schreien, haben sich, als sie selber an der Regierung waren, nicht an Polizeigewalt, Armut oder Korruption gestört. So wie Henry Ramos Allup, einer der profiliertesten Politiker des Oppositionsbündnisses MUD. Allups Partei, die Acción Democrática, war vor der Ära Chávez an der Regierung beteiligt, als es 1989 bei Protesten in Carácas zu 398 Toten kam.
Als Chávez dann 1999 an die Macht kam, lebte jede zweite Venezolanerin und jeder zweiter Venezolaner in Armut. Ebenso unlauter verhielt sich auch Leopoldo López, den das Regime wegen seiner Rolle bei den landesweiten Protesten 2014 zu 13 Jahren Haft verurteilt hat. Er bezeichnet sich zu Recht als politischen Häftling. Worüber er schweigt: 2002 hat er in einem Interview offen zum „schnellen und trockenen“ Putsch gegen Präsident Chávez aufgerufen.
Wer sich so demokratiefeindlich verhalten hat, kann jetzt nicht mit dem Duktus der moralischen Überlegenheit daherkommen. Jeder wird an seinen Taten gemessen, auch die Opposition.
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