Ralf Leonhard über die Liste des österreichischen ExGrünen Pilz: Wien en marche
Wenn du nicht antrittst, dann geh’ich nicht zur Wahl.“ Diese Drohung will Peter Pilz von vielen ehemaligen Grünen-Wählern vernommen haben. Leute, denen die Ökos zu bieder oder zu stark auf Nischenthemen konzentriert erscheinen. Man muss dem Exgrünen Pilz glauben, wenn er versichert, er wolle der Partei keine Wähler wegnehmen. Sondern denen, die sich schon abgewandt haben, ein Angebot machen.
Pilz wehrt sich nicht gegen das Etikett des Populisten. Aber anders als der klassische Populist orientiert er seine Parolen nicht an Volkes Stimmung, sondern vertritt eigene Überzeugungen, auch wenn die mit der Partei nicht übereinstimmen. Seine Kampagne gegen den politischen Islam wurde von den Grünen nicht mitgetragen. Wer mit Sorge beobachtet, wie die türkische Community von AKP-nahen Vereinen aus der Türkei manipuliert wird und wer Vollverschleierung im öffentlichen Dienst nicht gutheißt, die Fremdenfeindlichkeit der FPÖ aber ablehnt, könnte bei Pilz eine politische Heimat finden. Er ist gegen den Überwachungsstaat, für Besteuerung von Vermögen und Erbschaften und gegen die blindwütige Privatisierung von Staatsbetrieben.
Viele WählerInnen haben die Nase voll von verkrusteten Parteien, Pfründenjägerei und Vetternwirtschaft, Fraktionszwang im Parlament und Politikern, die im Nationalrat alt werden. Auf einer solchen Welle wurde Emmanuel Macron in den Élysée-Palast getragen. Sebastian Kurz, der kürzlich die konservative ÖVP übernommen hat, reagiert darauf, indem er seine Liste mit prominenten, anderen Parteien abgeworbenen Quereinsteigern aufpeppt. Pilz hat sich nie mit Macron verglichen. Er will nicht seine ehemalige Partei kannibalisieren, sondern neue Leute ins Parlament bringen. Er will keine disziplinierte Partei aufbauen, sondern eine Bewegung in Gang setzen. Für das Kanzleramt wird es wohl nicht reichen. Eine Bereicherung für die Politik ist die Liste Pilz aber allemal.
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