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Ralf Leonhard über den Schutz von Lateinamerikas UmweltaktivistenDie Interessen der Konzerne

Jetzt gibt es also ein Abkommen, das Lateinamerikas Umweltaktivistinnen – und -aktivisten schützen soll. Das sind in der Regel keine Leute, die wider die Feinstaubbelastung in den Megastädten anschreiben oder Gesetze zum Schutz der Krötenwanderung fordern. Die allermeisten der Mordopfer der vergangenen Jahre haben sich gegen ganz konkrete Interessen von Konzernen oder Großgrundbesitzern gewandt: gegen die Abholzung von Regenwald zwecks Anbau von Gensoja, Zuckerrohr oder Ölpalmen, gegen Staudammprojekte, die die Lebensgrundlagen von indigenen oder kleinbäuerlichen Gemeinschaften vernichten, gegen Bergbau oder Ölbohrungen in ökologisch sensiblen Gebieten.

Die Gewalt in Lateinamerika hat heute nicht in erster Linie politische Ursachen, sondern wirtschaftliche. Der Auftragsmord an der honduranischen Aktivistin Berta Cáceres vor zwei Jahren, der die Dringlichkeit umfassender Schutzmaßnahmen allen drastisch vor Augen geführt hat, war nur der spektakulärste in einer Reihe von Repressionsakten gegen jene, die die Geschäfte stören. Kein Land ist bekannt, in dem das Töten von unbescholtenen Menschen erlaubt wäre, nicht einmal von solchen, die sich in zivilem Ungehorsam gegen Wirtschaftsinteressen auflehnen.

Was ist also von einem Abkommen zu erwarten, das Staaten, welche bisher schon ihrer Schutzpflicht nicht nachgekommen sind oder sogar aktiv (durch Polizei oder Militärs) in die Tötung von Aktivisten verwickelt waren, in die Pflicht nimmt?

Wenn die neue Regelung ernst genommen würde – und niemand hindert die Regierungen, dem Inkrafttreten durch seine Politik zuvorzukommen – dann dürften Projekte, die Menschen- oder Umweltrechte verletzen, gar nicht erst bewilligt werden. Landraub, der dann noch mit Polizeieinsatz gegen die Vertriebenen unterstützt wird, müsste der Vergangenheit angehören. Erst wenn Menschen- und Umweltrechte überzeugend über Konzerninteressen gestellt werden, ist der Geist von Rio, dem das Abkommen entspringt, wirklich aus der Flasche.

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