Rahmenprogramm zur Fußball-EM in Berlin: Spaß für Millionen
Zur Fußball-EM findet das Fan Festival Uefa Euro 2024 mit großem Rahmenprogramm in ganz Berlin statt. Ist das angesichts klammer Kassen zeitgemäß?
W er erinnert sich noch an das Sommermärchen von 2006, als halb Berlin (und der Rest der Republik) im Freudentaumel auf eine angenehme, bislang nicht dagewesene Art die Liebe zum eigenen Land entdeckte? Es gab fröhliche, enthusiastische wie entspannte Menschenmassen und haufenweise Deutschlandfahnen beim Public Viewing. Und ein neues Deutschlandbild.
Dieses Feeling wird im Sommer 2024 wieder heraufbeschworen – so zumindest die Hoffnung. Denn in verschiedenen deutschen Großstädten findet die Fußballeuropameisterschaft der Herren statt. Neben fünf weiteren Spielen ist Berlin auch Austragungsort des Finales. Man stelle sich vor, die deutsche National-Elf würde so weit kommen: Fußball-Deutschland aus dem Häuschen – okay, man wird ja wohl noch träumen dürfen.
Spruchreif sind nun die Pläne für das umfangreiche Rahmenprogramm in Berlin rund um die EM. Am vergangenen Montag wurde es den Mitgliedern des Kulturausschusses des Abgeordnetenhauses von Alma Seiberth vorgestellt. Sie arbeitet als Projektkoordinatorin des Fan Festival Uefa Euro 2024 – so der offizielle Name das Rahmenprogramms.
Verantwortlich für Planung und Umsetzung zeichnet die Kulturprojekte Berlin, eine landeseigene GmbH. Sie geht von bis zu 2,5 Millionen Fans aus aller Welt aus, die in Berlin einfallen könnten.
Ein spektakulärer Hotspot
Von der Uefa kommt unter anderem die Vorgabe, dass es einen spektakulären Hotspot geben muss. Das Brandenburger Tor, so das Versprechen, soll deshalb an den 31 Tagen der EM in das angeblich größte Fußballtor der Welt verwandelt werden. In einer Animation von Kulturprojekte Berlin sieht man ein überdimensioniertes Tor samt riesigem Kunstrasen. „Wir rollen für alle Berlinerinnen und Berliner sowie alle Gäste den grünen Rasen aus: Die Straße des 17. Juni wird zum Spielfeld für alle“, verspricht Geschäftsführer Moritz van Dülmen.
Es wird geklotzt und nicht gekleckert: Eine zweite „Fan Zone“ soll es vor dem Reichstag geben, natürlich mit Public Viewing, also live übertragenen Spielen. Zwischendurch sollen verschiedene Veranstaltungen für Abwechslung und Stimmung sorgen. Vorgesehen sind Konzerte und DJ-Sets, Ausstellungen, ein kuratiertes Kinoprogramm, Talkrunden sowie Events für Kinder und Familien; einen Tag lang werden auch inklusive Sportarten vorgestellt.
Neben den beiden Fan Zones ist ein stadtweites Rahmenprogramm von und mit Kulturakteur:innen aus der ganzen Stadt in Planung, das die kulturelle Vielfalt Berlins abbilden soll. Die Bandbreite ist beachtlich: Das Theater Rambazamba ist dabei, das Humboldt Forum, aber auch das Theater unterm Dach oder der Pride Month, das queere Festival rund um die CSD-Saison. Insgesamt, ließe sich resümieren, ein zu begrüßendes Unterfangen, ein tolles Event. Einerseits.
Vor dem Karren der Uefa
Andererseits: Das Ganze kostet eine Stange Geld. Laut Kulturprojekte Berlin GmbH stehen insgesamt 21 Millionen Euro für das Rahmenprogramm zur Verfügung, der Löwenanteil geht für Infrastruktur, Sicherheit, Honorare etc. drauf. Ist das gut angelegtes Geld? Ist das noch zeitgemäß?
Denn worum geht es eigentlich? Ein paar Wochen lang dreht sich alles um die angeblich wichtigste Sache der (Sport)Welt. Es geht um Tore, Tore, Tore. Es geht aber auch und vor allem um Geld und Rendite, die Uefa ist ein perfekt orchestriertes, weltweit agierendes Unternehmen, das die Gastgeberländer und die gastgebenden Kommunen vor ihren Karren spannt.
Natürlich hat auch Berlin etwas davon. Die Touristenmassen aus dem eigenen Land und dem Ausland werden die Hauptstadt fluten (mit allen Auswirkungen auf die Umwelt, Stichwort CO2-Fußabdruck) und hier – hoffentlich – in Hotels und bei privaten Übernachtungsanbietern, in Geschäften, Restaurants, Bars und Clubs für mehr Umsatz als sonst im Sommer sorgen. Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey (SPD) betont diesen Umstand gerne.
Das ist ja auch allen zu gönnen. Aber rechtfertigt das die Investitionen in so ein groß angelegtes Rahmenprogramm? Das muss letztens Endes jeder für sich selbst beantworten. Fußballfans werden so eine Frage mit einem klaren Ja beantworten. Alle anderen dürften eher einem Nein zuneigen.
So oder so: In Zeiten klammer Kassen ist das auf alle Fälle eine sehr berechtigte Frage.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom