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Räumung geplantDas Camp der Armen

Seit vier Wochen leben rund 30 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in Zelten im Nobistorpark in Hamburg-Atona. Unter ihnen sind auch Kinder und Schwangere.

Vorübergehendes Zuhause für etwa 30 Menschen: Zeltlager am Nobistor Bild: Miguel Ferraz

„Die Obdachlosen? Meinen Sie unsere Nachbarn, die mich nerven?“, sagt die Frau durch den Lärm der vollen Anlaufstelle Alimaus am Nobistor. Seit knapp einem Monat schlafen im Nobistorpark zwischen 20 und 30 Menschen aus Rumänien und Bulgarien in Zelten und Autos. Unter ihnen Familien, Schwangere, kleine Kinder.

Vor ein paar Tagen hat die Hamburger Diakonie Alarm geschlagen: Offenbar plant der Bezirk Altona nun, das Lager zu räumen. Es seien vermehrt Klagen von Anwohnern eingegangen. Auch die Frau in der Alimaus, die nebenan wohnt, hat sich beschwert. „Sie hören nachts laute Musik, sie schreien rum, und wenn man durch den Park spaziert, wird man von Kindern angebettelt“, regt sie sich auf. „Das kann so nicht weitergehen.“

Nebenan auf der sonnendurchfluteten Wiese stehen zwei Frauen, eine hat ein Tuch um den Kopf geschlungen, die andere trägt ein Kind auf dem Arm und schichtet Holzscheite auf einen dürftig zusammengezimmerten Grill. Am Boden liegen Decken ausgebreitet, weiter hinten im Park sieht man einzelne Zelte unter den Bäumen.

Sie wollten keine Fragen beantworten. „Warum sollten wir mit jemandem reden wollen?“, sagt die Frau mit dem Kind auf dem Arm. „Uns hilft sowieso keiner.“ Bereits fünf Leute seien heute vorbeigekommen, hätten Fragen gestellt. „Was sollen wir sagen? Wir haben nichts. Ich habe nicht einmal Windeln für mein Kind.“ Vor rund einem Monat seien sie aus Bukarest hierher gekommen. „Dort ist es Schlimmer als hier.“ In Rumänien seien alle Menschen arm.

Hoffnung auf Arbeit

Seit dem 1. Januar dürfen Menschen aus Rumänien und Bulgarien im Rahmen des Freizügigkeitsabkommens nach Deutschland reisen. Und manche tun es in der Hoffnung, hier Arbeit und ein besseres Leben zu finden. Doch viele finden keinen Job, müssen betteln oder Flaschen sammeln, um zu überleben.

In einem Hinterzimmer der Anlaufstelle Alimaus sitzt Schwester Clemensa, und blickt betrübt aus dem Fenster in den Park. In der Alimaus bekommen die Obdachlosen etwas zu essen. Doch für Schwester Clemensa steht fest, dass der aktuelle Zustand nicht haltbar ist. „Ich weiß nicht, was die Lösung ist“, sagt sie. Es sei Sache der Stadt, für diese Menschen eine Lösung zu finden.

Die Stadt aber schiebt die Verantwortung weiter – die Ordnung im öffentlichen Raum sei Sache des Bezirks. Stadtweite Vorgaben, wie mit dem Obdachlosenlager umzugehen sei, existieren nicht, die Bezirksämter hätten das im Rahmen der geltenden Gesetzeslage selber zu entscheiden.

Duldung nicht möglich

Aus dem Bezirksamt Altona heißt es, dass eine längerfristige Duldung des Lagers nicht möglich sei. Man prüfe derzeit, wie es zu einer „gruppenspezifischen und der Situation angemessenen Klärung kommen kann.“ Bezirks-Sprecherin Kerstin Godenschwege stellt fest, dass die Obdachlosen keinen Anspruch auf öffentliche Unterbringung hätten.

Für Dirk Hauer von der Diakonie kann eine Räumung des Lagers indes keine Lösung für das Problem sein: „Die Obdachlosen werden einfach in ein anderes Stadtviertel wandern“, sagt er. „Oder sie gehen zurück nach Rumänien und werden zwei Monate später wieder kommen.“ Die Stadt solle den Menschen ein Dach über dem Kopf geben und prüfen, ob die Obdachlosen Anspruch auf Sozialhilfe hätten. „Es kann nicht sein, dass die Stadt diese Menschen einfach vertreibt“, sagt Hauer.

Doch auch das lehnt der Bezirk ab: „EU-Bürger, die sich im Rahmen der Freizügigkeit bewegen, haben keinen Anspruch auf Sozialleistungen oder eine öffentliche Unterbringung“, heißt es. In Stein gemeißelt ist das indes nicht. „In etwa der Hälfte der Fälle haben Gerichte zugunsten der Antragsteller entschieden“, sagt Hauer. Zwei davon liegen derzeit beim Europäischen Gerichtshof; das für Ende Jahr angesetzte Urteil soll Klarheit schaffen, welchen Anspruch EU-Bürger auf deutsche Sozialhilfe haben.

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