Räumung der Asse: Finanzielles Fiasko
Laut Bundesrechnungshof könnten die Kosten für die Bergung von Atommüll aus dem maroden Bergwerk bis 2033 auf fünf Milliarden Euro steigen.
Obwohl die Rückholung noch gar nicht begonnen hat, sind schon jetzt 1,5 Milliarden Euro in das Vorhaben geflossen. Und es könnte insgesamt viel teurer werden als bislang kalkuliert, warnt der Bundesrechnungshof in einem jetzt bekannt gewordenen Bericht.
Die Finanzprüfer sehen „das erhebliche Risiko, dass die Gesamtausgaben für das Projekt die letztmals im Jahr 2011 geschätzten zwei Milliarden Euro erheblich übersteigen“. So gehe die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) als Betreiberin des maroden Bergwerks von weiteren Ausgaben in Höhe von rund 3,35 Milliarden Euro von 2019 bis 2033 aus. Erst dann soll nach gegenwärtiger Planung die eigentliche Bergung der Abfälle beginnen.
Die bisher freigegebenen Gelder haben das Bundesumweltministerium – gewissermaßen Dienstherr der BGE – zu 92 Prozent für die Offenhaltung des Bergwerks sowie für Notfallmaßnahmen verwendet, schreiben die Rechnungsprüfer weiter. Die Planungskosten für die Rückholung stagnierten dagegen seit 2013 bei acht Prozent auf niedrigem Niveau – 2013 war die Räumung der Asse beschlossen worden.
Jochen Stay, Anti-Atom-Initiative „ausgestrahlt“
Im Bericht monieren die Prüfer auch eine mangelhafte Kostenkontrolle durch das früher für die Asse verantwortliche Bundesamt für Strahlenschutz (BfS), das vor der BGE für das Atommülllager zuständig war. Die Prüfer verlangen, dass das Bundesumweltministerium die Fachaufsicht über die Kosten der Rückholung übernimmt. Außerdem soll die BGE dem Bundestag jährlich einen Bericht vorlegen.
Ein Sprecher des Bundesumweltministeriums erklärte auf Anfrage, die Kosten für die Asse seien „eine unausweichliche Konsequenz der falschen und ohne Folgenabschätzung getroffenen Entscheidung zur Nutzung der Atomenergie in Deutschland“. Ministerium und BfS hätten stets deutlich gemacht, dass eine belastbare Abschätzung der Gesamtkosten wegen der Einmaligkeit des Bergungsprojekts nicht möglich sei. „Sicherheit muss stets absoluten Vorrang haben“, betonte der Sprecher. Gleichzeitig müsse das Vorhaben kosteneffizient durchgeführt werden, finanzielle Erwägungen dürften aber keine notwendigen Maßnahmen zur sicheren Rückholung der Abfälle verhindern.
Den Vorwurf eines unzureichenden Finanz-Controllings wies der Sprecher zurück. Das BfS habe 2009 nach dem Übergang der Verantwortung für die Asse in den Geschäftsbereich des Umweltministeriums eine Termin- und Kostenkontrolle für das Projekt eingerichtet: „Entgegen der Sichtweise des Bundesrechnungshofs wurden damit Projekt und Finanzcontrolling wahrgenommen.“ Auch die inzwischen zuständige BGE habe umfassende Regelungen zum Projektcontrolling getroffen.
Der Asse II-Koordinationskreis unabhängiger Bürgerinitiativen hält die Kritik des Rechnungshofes am Umweltministerium und dem BfS hingegen für „voll berechtigt“. Weniger als ein Zehntel der Asse-Kosten für Rückholungsplanungen aufzuwenden, erscheine „als Armutszeugnis“ dafür, wie das in den untersuchten Jahren 2010 – 2016 zuständige BfS mit dem Auftrag zur Rückholung des Atommülls umgegangen sei.
Schon seit Jahren kritisiere der Koordinationskreis, dass nicht an Maßnahmen gearbeitet werde, die für eine Rückholung erforderlich seien, sagt Sprecher Andreas Riekeberg: Der Bau eines weiteren Schachtes, die Entwicklung von ferngesteuerter Bergetechnik und die Erstellung eines detaillierten Masterplans. Auch die Arbeiten zur Notfall- und Gefahrenabwehr seien wichtig, „aber die Vorbereitungsarbeiten für die Rückholung müssen parallel laufen“.
Das stillgelegte Salzbergwerk Asse II bei Wolfenbüttel galt zunächst als „Versuchsendlager“. Zwischen 1967 und 1978 ließ die Bundesrepublik dort 125.000 Fässer mit schwach- und 1.300 Fässer mit mittelradioaktivem Atommüll einlagern.
Seit Jahren dringt salzhaltige Lauge ins Bergwerk, täglich sind es mehr als 12.000 Liter. Die Grube gilt als instabil und einsturzgefährdet. Die Nachbarschächte Asse I und Asse III waren schon früher voll Wasser gelaufen und aufgegeben worden. Die Abfälle sollen deshalb nach Möglichkeit wieder an die Oberfläche geholt werden.
Betreiber der Asse ist die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE). Sie ist auch für die Endlagerprojekte Schacht Konrad und Morsleben sowie das Bergwerk Gorleben zuständig. Zudem organisiert die BGE die Suche nach einem Endlager für den hochradioaktiven Atommüll.
Jochen Stay von der Anti-Atom-Organisation „ausgestrahlt“ wies darauf hin, dass die in Rede stehenden rund fünf Milliarden Euro lediglich die Kosten betreffen, die bis zum Jahr 2033 anfallen. Die eigentliche Bergung und Neuverpackung der Fässer werde mit Sicherheit etliche weitere Milliarden verschlingen: „Die Gesamtaufwendungen zur Aufarbeitung des Asse-Desasters könnten also gut und gerne doppelt so hoch ausfallen“, sagt Stay. Das Geld komme im Übrigen nicht aus dem Atom-Fonds, in den die Stromkonzerne einmalig 24 Milliarden Euro eingezahlt haben. Bezahlt werde das alles aus dem Bundeshaushalt, also von der Allgemeinheit.
Die Linke bekräftigte unterdessen ihre Forderung nach einem Asse-Sonderbeauftragten des Landes Niedersachsen: Seit neun Jahren bestehe der politische Auftrag, den Atommüll aus der Asse zu holen, sagt Landeschef Lars Leopold. Seitdem sei nicht viel passiert und es sehe fast so aus, als werde auf Zeit gespielt: „Da rosten über 126.000 Fässer mit radioaktivem Müll vor sich hin und die Landesregierung schaut seelenruhig zu, wie weiter täglich Wasser in das marode Bergwerk läuft.“
Um das Tempo bei der Rückholung des Atommülls zu erhöhen und eine Flutung oder einen Einsturz des instabilen Bergwerks zu verhindern, sagt Leopold, müsse Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) die Asse endlich zur Chefsache erklären und einen Sonderbeauftragten einsetzen.
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