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Radweg auf der KantstraßeCDU beschleunigt im Rückwärtsgang

Neues aus dem Hause Bonde: Die Verkehrssenatorin wickelt den fünf Jahre alten Pop-up-Radweg auf der Kantstraße wieder ab.

Halbwegs sicher – und bald Geschichte: Pop-up-Radweg auf der Kantstraße Foto: IMAGO / Jürgen Ritter

Berlin taz | Vor einem guten halben Jahr lieferte ein CDU-Stadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf seiner Parteifreundin Ute Bonde – Senatorin für Mobilität und Verkehr – eine Vorlage, um den Pop-up-Radweg auf der Kantstraße wieder abzuschaffen: Er drohte, dort das Wohnen in oberen Stockwerken zu untersagen, weil die Feuerwehr nicht genug Platz habe, ihre Löschfahrzeuge sicher aufzustellen. Bonde versprach prompt die Revision der 2020 angeordneten Verkehrsführung, bei der Radfahrende zwischen Gehweg und parkenden Autos fahren.

Am Mittwoch war es so weit: Die Senatsverwaltung verkündete eine neue verkehrsrechtliche Anordnung. Künftig sollen wieder Kraftfahrzeuge neben dem Gehweg parken, links davon verläuft ein Bussonderfahrstreifen, der auch mit dem Fahrrad genutzt werden kann, auf der dritten Spur rollen die Autos. Im Prinzip wird damit der alte Zustand wiederhergestellt. Gegen den hatte es im ersten Coronajahr Demos gegeben, auch als Reaktion auf einen Unfall, bei dem ein Radfahrer auf dem Savignyplatz totgefahren worden war.

Bondes Verwaltung begründet den Schritt wie gehabt mit der Feuerwehr. Aktuell werde „dem Radverkehr eine höhere Sicherheit für Leib und Leben zuteil“ als „bei einem potenziellen Brand einer Bewohnerin oder einem Bewohner der oberen Etagen der Wohnhäuser“. Der Vorschlag des Bezirksamts, den Mittelstreifen als potenzielle Aufstellfläche für Löschzüge zu befestigen, sei „durch den dafür notwendigen Umbau- und Finanzbedarf nicht darstellbar“. Außerdem hätten sich durch die unvorhergesehenen Baumaßnahmen auf der A 100 „über viele Jahre andauernde neue Verkehrsbeziehungen ergeben“, mit „starkem Einfluss auf die konkrete Verkehrssituation vor Ort“.

„Wir sind entrüstet“

Die Reaktionen darauf fallen harsch aus: „Wir sind entrüstet“, erklärt ADFC-Sprecherin Lisa Feitsch. Die Senatorin spiele das Recht auf körperliche Unversehrtheit von Radfahrenden gegen die An­woh­ne­r:in­nen aus. Der Kottbusser Damm in Kreuzberg zeige, dass sich die Feuerwehrproblematik etwa durch ausreichende Lücken im Parkstreifen lösen lasse. Im Januar hatte der ADFC dokumentiert, dass die Radspur auf Abschnitten der Kantstraße, wo die Verkehrsführung schon jetzt dem von Bonde angestrebten Zustand entspricht, regelmäßig durch Falschparker blockiert wird.

Die Linksfraktion im Abgeordnetenhaus verglich Bondes Vorgehen mit einer „Brechstange“ und der „Axt im Walde“, die Fraktion in der BVV Charlottenburg-Wilmersdorf verkündete: „Die nächsten Toten auf der Kantstraße gehen auf das Konto der CDU!“

Bezirksstadtrat Oliver Schruoffeneger (Grüne) teilte mit, er habe die Anordnung „mit großer Irritation“ zur Kenntnis genommen. Die Senatsverwaltung räume dem Bezirk eine 14-tägige Frist zur Stellungnahme ein, liefere aber nicht einmal Skizzen der neuen Verkehrsführung oder Daten zur Begründung. Inhaltlich erschließe sich jedenfalls „auf den ersten Blick, dass die Gefahrenlage für die Fahrradfahrenden durch die neue Regelung wesentlich erhöht wird“.

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1 Kommentar

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  • Verstehe: Der Senat hat abgewogen.



    Die Anordnung von Halteverbotszonen für die Feuerwehr wäre unverhältnismäßig. Das Recht auf kostenlose Parkplätze auf öffentlicher Straße vor dem Haus geht dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Radfahrenden vor.