piwik no script img

Radrennen nach CoronaRückkehr auf Asphalt

Der Radsport wagt sich wieder nach draußen. Nach einem Rennen auf dem Sachsenring wurde am Sonntag das Kotzener Bergzeitfahren veranstaltet.

Sieger am Sachsenring: Tobias Nolde aus Deutschland Foto: Imago/Mario Stiehl

Am Sonntag nahmen 17 Frauen und 106 Männer am 6. Kotzener Bergzeitfahren in der Nähe von Rathenow teil. „Wir haben uns danach gerichtet, was im Rahmen der Eindämmungsverordnung möglich war“, sagt Organisator Henry Bertz der taz. „Start- und Zielbereich lagen auf einem Sportplatz. Sportveranstaltungen bis 150 Teilnehmern können auf solchen Anlagen ja durchgeführt werden.“ Im Startbereich durften sich maximal sechs Personen mit den notwendigen Abständen aufhalten.

„Der Fahrer, der jeweils startet, dazu die nächsten drei in der Startreihenfolge sowie zwei Organisatoren. Gestartet wurde im Abstand von 60 Sekunden. Und wir hatten die Athleten aufgefordert, beim Überholen jeweils zwei Meter seitlichen Abstand einzuhalten. Die Breite der Straße gibt das auch her“, erläutert Bertz weiter.

Weil ein Radrennen auf dem begrenzten Areal eines Sportplatzes aber wenig Sinn macht, führte der Parcours dann über öffentliche Straßen. Das war ein absolutes Novum im Covid-19-Regime. Bereits am vorletzten Wochenende hatte in Sachsen das traditionsreiche 72. Sachsenringradrennen stattgefunden.

Es war, im Gegensatz zum Bergzeitfahren der Jedermänner und Jederfrauen in Kotzen, für Profis und Kaderathleten ausgerichtet und fand auf der Motorsportrennstrecke Sachsenring statt. „Es war kein öffentlicher Bereich, sondern abgesperrtes Gelände. Und das war überhaupt die Voraussetzung, dass wir das Rennen durchführen konnten“, sagt Organisator Dietmar Lohr.

Zu meiden: öffentliches Straßenland

Rennen auf der Straße hatte das sächsische Innenministerium nicht erlaubt. Diese Erfahrung machte am vorletzten Donnerstag die Radsportabteilung der DHfK Leipzig. Sie hatte ein Einzelzeitfahren organisiert. „Es entsprach den Hygienevorschriften. Wir hatten auch die Zustimmung der Gemeinde. Aber dann kam das Aus, weil es auf öffentlichem Straßenland stattfinden sollte“, erzählt der DHfK-Mitarbeiter und frühere DDR-Radsportler Michael Schiffner.

Lohrs Trumpf war also der Sachsenring – ein Gelände, groß genug für Radrennen, aber dennoch abgesperrt. „Für die Sportler war es schön, dass nach den langen Wochen des Trainings jetzt wieder ein Wettkampf stattfand“, meinte Lars Wackernagel, Ex-Profi beim Rennstall Wiesenhof und aktuell Manager des Thüringer Continental-Teams P&S Metalltechnik, das auch den Sieger stellte: Tobias Nolde.

Wackernagel hofft jetzt, dass sich andere Veranstalter inspiriert fühlen. „Es gibt ja auch andere Rennstrecken wie den Nürburgring zum Beispiel“, sagt er. Das Sachsenringrennen war ein echtes Straßenrennen, mit Massenstart und Peloton. Die Start­aufstellung erinnerte zwar an die Formel 1. Markierungen in großem Abstand waren auf den Asphalt gemalt, an denen die Rennfahrer auf das Startsignal warteten.

Vorsicht im Pulk

Dann aber fuhren sie wieder als Pulk zusammen. „Straßenradsport im Modus des Social Distancing ist einfach nicht möglich. Das war auch vorher allen klar“, sagt Nick Kracik. Der Trainer am Olympiastützpunkt Berlin war als sportlicher Leiter des U23-Rennstalls KED-Stevens mit zwei Fahrern auf dem Sachsenring dabei. „Wir haben das vorher mit unseren Sportlern durchgesprochen. Das ist ja wie im Fußball. Kein Fußballspiel wäre möglich, wenn man immer 1,50 Meter Abstand hält“, sagt Kracik.

Die Beispielwirkung des Ballgeschäfts hebt auch Wackernagel hervor: „Die Bundesliga hat vorgemacht, dass Sport im Freien mit mehreren Leuten geht.“ Extra Tests, wie es das Hygienekonzept der DFL vorsieht, gab es aber nicht. Die Teilnehmer mussten lediglich eine Vereinbarung unterschreiben, im Vollbesitz ihrer körperlichen Kräfte zu sein und in den letzten 14 Tagen keinen Kontakt mit einer infizierten Person gehabt zu haben.

Das klingt gewagt, ergibt im Leistungssport aber Sinn. „Leistungssportler nehmen schon Nuancen in ihrem Körper wahr. Und so ein Rennen wie das am Sachsenring mit 122 Kilometer Länge und 3.000 Höhenmetern bestreitet man auch nur, wenn man gesund und fit ist“, meint Wackernagel. Zuschauer gab es am Sachsenring nur jenseits des Zauns. „Vielleicht 20, 25 Personen“, meint Lohr, der in normalen Jahren 500 bis 1.500 Zuschauer zählt.

Der Unterschied in der Stimmung an der Strecke war also weniger stark spürbar als derzeit in den leeren Fußballstadien. Stille Rennen ist der Radsport in Deutschland allerdings auch ohne Covid-19 schon gewohnt. An einem neuen Rennen Ende August plant er bereits wieder.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!