piwik no script img

Radrennen droht abzuwandernSportstadt ohne Spitzensport

Hamburg will sich auch ohne Olympische Spiele als Sportstandort profilieren – verliert aber reihenweise erstklassige Veranstaltungen und Akteure.

Bedrohtes Event: Die Cyclassics in Hamburg Foto: dpa

HAMBURG taz | Die Hiobsbotschaften im Hamburger Sport reißen nicht ab: Im Herbst scheiterte die Olympia-Bewerbung am Unwillen des dazu befragten Volkes; im Januar meldete das Bundesligateam des HSV Handball Insolvenz an; im April verabschiedete sich der VT Aurubis aus der Volleyball-Bundesliga und jetzt wackelt auch noch das Radrennen „Hamburg Cyclassics“. Dabei möchte der rot-grüne Senat Hamburg international als Sportstadt profilieren.

Vor einem Jahr hatte der Energiekonzern Vattenfall angekündigt, er werde das Radrennen mit rund 20.000 Teilnehmern 2017 nicht mehr ausrichten. Wie das Hamburger Abendblatt jetzt bekannt machte, sind die Cyclassics für das laufende Jahr zwar finanziert, für das kommende fehlt jedoch ein Hauptsponsor. Dieser müsste eine halbe Million Euro auf den Tisch legen.

„Es hat kein Unternehmen aus der Region gegeben, das auf die Veranstaltung aufgesprungen ist“, sagt Reinald Achilles vom Veranstalter Ironman. Dafür gebe es zwei Angebote aus anderen Städten. Ironman suche nach wie vor nach einem regionalen Titelsponsor, habe sich dafür aber eine Frist bis Ende September gesetzt. Bei einem Scheitern werde man das Rennen anderweitig vergeben.

„Die Cyclassics sind ein Ereignis, das weit über Norddeutschland hinaus strahlt“, sagt Hamburgs Sportstaatsrat Christoph Holstein (SPD). Die Stadt fördere zwar große Sportveranstaltungen aus der Tourismusabgabe, könne aber einen Titelsponsor nicht ersetzen, sondern bloß helfen, einen neuen zu finden.

Ausgeschieden

Tennisturnier am Rothenbaum: Bis 2008 gehörte es zur Masters-Serie der Profi-Organisation ATP und damit zu den wichtigsten Turnieren der Welt. Heute ist es Teil der ATP World Tour 500 – und damit zweitklassig.

HSV-Frauenfußball: Das Team musste 2011 aus der Bundesliga absteigen, weil der Hamburger SV, dem einzelne (männliche!) Spieler auch schon mal Millionen wert sind, 100.000 Euro sparen wollte.

HSV Hamburg: Der Verein hat sich im Januar – mitten in der Saison – aus der Handball-Bundesliga verabschiedet. Er war mit vier Millionen Euro verschuldet, Mäzen Andreas Rudolph war nicht mehr bereit, ein weiteres Mal Geld zu geben, und auch sonst fand sich niemand dafür, das Loch zu stopfen.

VT Hamburg: Lange Zeit hieß der Volleyballverein VT Aurubis, weil die nämliche Hamburger Kupferhütte den Bundesliga-Aufenthalt der Frauen sponserte. Mit dem Ausstieg des Titelsponsors war Schluss.

Mit Blick auf die Einbrüche im Spitzensport sagt er: „Die Probleme, die wir im Sport-Sponsoring hatten, lagen darin, dass die wirtschaftliche und organisatorische Kompetenz mit dem Erfolg nicht mitgehalten hat.“ Holstein nimmt nach wie vor eine große Bereitschaft wahr, sich im Sport zu engagieren. Er verweist auf das Fanfest zur Fußball-Europameisterschaft auf dem Heiligengeistfeld, dem der Hauptsponsor abhanden kam und das nach wenigen Tagen einen neuen fand.

Dass Sponsoren wechseln, sei „ein normales Geschäft“, sagt Michael Beckereit. Er ist Geschäftsführer des städtischen Versorgers Hamburg Wasser und Vorsitzender der Zukunftskommission Sport, die für den Senat 2011 eine „Dekadenstrategie“ entworfen hat, wie Hamburg zu einer Sportstadt werden könnte. Beim Sponsoring komme es für Unternehmen darauf an, etwas Plausibles zu finden, sagt Beckereit. „Wir haben die Alster so sauber gemacht, dass man darin baden kann“ – und das könne man mit dem Triathlon zeigen, den Hamburg Wasser sponsert. Dieser Triathlon mit 10.000 Teilnehmern könnte nach den Vorstellungen der Agentur Ironman ein Geschwisterchen bekommen: einen davon unabhängigen Ironman-Triathlon.

Laut der erwähnten Dekadenstrategie soll die Hamburgische Bürgerschaft den Spitzen- wie den Breitensport fördern. Beckereit würde dafür gerne das „Hamburger Format“ durchsetzen: Dabei sollen Turniere in die Stadt geholt werden, für die sich die Spitzenathleten vor Ort vorbereiten, zum Teil zusammen mit dem Nachwuchs.

Innen- und Sportsenator Andy Grote (SPD) möchte Hamburg von der Breitensportorganisation Tafisa als eine „Active City“ zertifizieren lassen, die ganz vom Sport durchdrungen ist. Dafür sollen Hallen renoviert und neu gebaut sowie „Bewegungsinseln“ geschaffen werden. Bei den Olympischen Spielen 2020 sollen 20 Medaillengewinner aus der Hansestadt kommen, und diese will jedes Jahr eine internationale Meisterschaft in einer olympischen Sportart austragen.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

16 Kommentare

 / 
  • @ Lowandorder: wiedermal: you made my day gestern und heute mit Ihren Kommentaren zu den verschiedenen Themen - Witz und (Selbst-)Ironie gepaart mit (humanistischer) Bildung sind relativ selten geworden auf diesen Seiten.

     

    Zum Thema: ich fände es schade, wenn die Cyclassics nicht mehr stattfänden - allen Einwänden meiner Vorredner (von denen die meisten zutreffen) zum Trotz ! Ja, ich bekenne mich schuldig, ich gehöre auch zu den Rad-, Lauf- und Triathlon-Junkies (allerdings abnehmend seit meiner Heirat ;-)). Mir gehts aber immer um den Wettkampf gegen mich selbst - und an allen Tri-Wettkämpfen, an denen ich bislang teilgenommen habe, herrschte unter den Athleten ein Gefühl der Zusammengehörigkeit vor: man half sich gegenseitig mit Essen/Trinken aus, hat sich angefeuert und im Ziel zusammen gefeiert, unabhängig von Platzierung, Hautfarbe, Ideologie, Geschlecht und Religion.

    • @Blacky:

      ;) au backe -;) &

      Humoristische Bildung - jau -

      Da sarense was.

       

      Wir liegen da doch nicht auseinander -

      Nach profess.Rudern - als Studi -

      Koasa-Lauf - (best -> 3.letzter bei den vor1925Geborenen;))) & Vogesen ThüringerWald etc auf Rennlatten -

      Kmkmkm am meter;) - kurz -

       

      Ihrs ist doch ok - & entspricht cum grano salis meinen ja eher steinalten Erfahrungen auch - Aber -

      Die Rahmenverschiebungen - Hyping

      Funktionärsgehampel Medienpuper

      Politgeschwurbel Nationalgewusel

      & deren Folgeerscheinungen -

      Bis hin zum breitflächigen Doping im Amateurbereich - Ja geht's noch?!

      Das hat viele Wurzeln - aber eine beschleunigende Tendenz!

      kurz - Gaahrp!

       

      (ps & bei the way - Funktionären Wurden mal noch öffentlich Prügel angeboten - selbst von DDR-Sportlern - (war selbst zugegen;) -&

      Andererseits - So ein excellenter Skuller wie Kolbe ~> Doping - Why?! (mir fielen unlängst die Augen aus dem Kopp - Kannte ihn doch noch unmopsig vom Sattelplatz!):(( ~>

      Schwierige Gemengelage!

      • @Lowandorder:

        Bene docet, qui bene distinguit -

        In diesem Sinne: einverstanden! ;-)

  • "Hiobsbotschaft¿!"

     

    Als Leistungsportler mit GoldAbi;()

    Hames nich'n bischen kleiner?!!

    Nur weil da die bekannten -

    Rollenden Apotheken re-bicyclen! &

    Woanders rollen! Scheiß drauf!

    kurz - einfach mal dem blinden -

    LeistungssportBläh - endlich -

    Den Proppen - öh ziehen!

    Danke. (Tipp - Nase zuhalten!¡;)

     

    (ps nur zur Erinnerung&zumLesen;))

    "If you want to build charakter -

    Try something else - by

    Ogilvie/Tutko auf der basis von 20Tsd;!)

    Unwiderlegt! - Noch Fragen?!

    • @Lowandorder:

      & nochens -

      Wer diesem vordergründigen Inszenario du sport arrangé

      Für VIP-Gehampel nachtrauert -

      Sollte mal sein

      Demokratieverständnis einer kritischen Prüfung unterziehen!

      Da schauste traditionell - (mit 4x Dt.&2x2.vor Abi;) - ganz harmlos

      Nach dem brillanten

      Skull4er-o.Frauen - ok (den komplett überhypten&überbewerteten!!)

      Achter-Endlauf - & im Finish fällt dir der Kinnladen runter - Auf der VIP-Bühne - Elefantet breitfeixend - jaha - doch doch -

      Der exSeminarjungSpargel AAFranz-Walter - daß die Bühne wackelt!

      Was hat bitte dieser Frühverkohlte mit Rudern a vita am Hut?!! - Nix. &

      FDJ-Winkelement & WM ~> national Fußballschwitzhöschen lassen grüßen!

      "Na - dann siegt mal schön!" by Papa

      Theodor Heuß - Da liegt die Latte!

      (&dann kannste "Hiobsmeldung"

      Engültig einmotten - besser is das!)

  • Merkwürdig, dass sich kein Sponsor in der Hamburger Kaufmannsschaft findet. War sie nicht eben noch glühend für Olympia ? Nur so lange, wie alles aus dem Steuersäckel genommen wird ?

    Die Cyclassic sind sicherlich ein guter Werbeträger für den Sponsor und die Stadt. Also ihr Millionäre und Milliardäre dieser Stadt. Mal ran da.

  • Was macht HH falsch im Gegensatz zu München u. Berlin, HH war auf einem guten Weg die dritte Sportstadt zuwerden, HSV Handballer ( CL- Sieger )

    weg, Volleyballer weg u.s.w...,

    und Olympia wäre 2024 nicht möglich, weil D 2024 die Fußball EM haben möchte, zwei solche Großveranstaltungen in einem Jahr und Land gab es noch nicht und ist nicht erwünscht...,

  • @ Wagenbär

    Ernsthaft???

    Das Radrennen ist neben dem Hamburg-Marathon das Sportaushängeschild der Stadt und es gibt jedes Jahr eine riesige Teilnahme an Hobbysportlern. Außerdem macht es Spass (...oh sorry, das wär ja gefährlich...)

     

    Genau so etwa brauchen wir jedes Jahr in der Stadt und die halbe Million aus dem Stadthaushalt wäre mal wirklich gut angelegt Geld

    Jörg Kaufmann

    • @Jörg Kaufmann:

      Selbstverständlich ernsthaft.

      Spass habe ich bei den verbissen kämpfenden Radlern der Cyclassics wirklich nie entdecken können.

      Die Gespräche drehen sich da nur um Trittfrequenz, Puls, Dauerleistung und durchschnittsgeschwindigkeit.

      Ganz anders bei der Critical Mass:

      Ein Festival der Freude am Fahrrad in allen Facetten: Alltagsrad, Lastenfahrrad, Oldtimer, Bonanzarad, Eigenbau, Einrad Pedelec. Menschen aller Altersstufen, Nur fröhliche entspannte Gesichter.

      • @Wagenbär:

        Ein bisschen verbissen finde ich lediglich Ihre Argumentation.

      • @Wagenbär:

        Ein ehemaliger Arbeitskollege von mir ist die Cyclassics jedes Jahr mitgefahren. Und da war durchaus eine Menge Spaß im Spiel... die Vorbereitung, die Vorfreude, dann das Rennen. Ich kann all das sehr wohl gut nachvollziehen und finde es absolut unfair, wenn sich hier jemand hinstellt und sagt: die haben alle keinen Spaß, die sehen verbissen aus... natürlich sehen die verbissen aus, das soll angeblich nämlich anstrengend sein.

        Critical Mass ist eine tolle Veranstaltung (war ich auch immer gerne dabei), keine Frage, aber der Vergleich hinkt. Äpfel und Birnen und so... beides Obst aber doch so unterschiedlich.

  • Wer gerne in der Gruppe faehrt kann hier mitmachen http://www.fahrradsternfahrt.info/

  • "Bei den Olympischen Spielen 2020 sollen 20 Medaillengewinner aus der Hansestadt kommen..."

     

    Derartige Zielsetzungen vermitteln erneut den irrigen Eindruck, dass Sport nur dann förderungswürdig und sinnvoll sein könne in einer Stadt, wenn am Ende möglichst viele Medaillengewinner produziert werden. Wer die meisten Medaillen einfährt, hat das beste System? Das ist finsterste DDR - Denke.

     

    Nur zur Klarstellung: Die Probleme bei den HSV Sparten, oder beim Tennisturnier in Rothenbaum etc. haben doch überhaupt nichts mit der gescheiterten Olympia-Bewerbung zu tun. Man sollte sie deshalb auch nicht in diesem Zusammenhang erwähnen.

    • @Rainer B.:

      Richtig. Zum DRR kann ergänzend gesagt werden, dass sie nicht am System, sondern an den Leuten gescheitert ist.

  • Eine Marketing-Veranstaltung wie die "Cyclassics" braucht niemand.

    Schon der Name war von Anfang an verlogen.

    Als noch die Hamburgischen Elektrizitätswerke sich mit der allerersten Werbeveranstaltung ein grünes Mäntelchen umhängen wollten, wurde dieses völlig neue "Radrennen" schon "Cyclassics" genannnt.

    Es ist auch weder für das Alltagsradeln noch für das Radeln als Breitensport irgendwie förderlich, die Hamburger Innenstadt für diesen Zirkus einen Tag lang lahmzulegen.

    Wie das promotet wird, demonstrieren jeden letzten Freitag im Montag tausende RadlerInnen bei der Critical-Mass Radtour. indem sie einfach gemeinsam ohne irgendeinen Wettbewerbsgedanken radfahren.