Triathlet Timo Bracht über den Ironman: „Die Marke hat Karriere gemacht“

Mit 41 möchte Timo Bracht beim Ironman unter die Top Ten. Der Veteran warnt vor zuviel Kommerz beim berühmtesten Triathlonrennen.

Ein Mann im Laufanzug läuft bei blauem, leicht bewölkten Himmel

Sieht nicht nur aus wie ein Profi, sondern ist auch einer: Timo Bracht in Aktion Foto: dpa

taz: Timo Bracht, Sie starten beim Ironman Hawaii als ältester Profi im Feld. Was treibt Sie eigentlich noch an?

Timo Bracht: Ich habe für mich in diesem Rennen einen Sinn entdeckt, der gut zur Situation auf dieser Insel passt: Es gibt im Süden derzeit einen aktiven Vulkan, aus dem sich die Lava ins Meer ergießt. Und auch in mir brennt dieses Feuer, sich mit den Besten der Welt zu messen und den Beweis antreten, dass es nach 15 Jahren Hochleistungssport plus Familie plus Sportunternehmertum noch funktioniert.

Was kommt Ihnen in den Sinn, wenn Sie an ihre Anfangszeit denken?

Dass es nicht so geplant war. In jungen Jahren hat mir der jugendliche Leichtsinn gutgetan. Er passte bestens zu einer Sportart, die nun einmal ein bisschen unkonventioneller ist als andere. Ich kam aus einer Freibeuterszene, die sich den ersten Hawaii-Trip durch Studentenjobs verdient hat. Das war am Anfang ein großes Abenteuer, vor allem der Schritt zu den Profis als junger Familienvater. Auf dieser langen Reise war jeder Kilometer erkämpft.

Was hat sich seitdem am meisten verändert? Das Material oder der Mensch, also Trainingsmethodik und Ernährungsweise?

Früher hat man uns in Kona genau erkannt. Der Profi saß nämlich auf dem Rad wie ein Profi und hatte Klamotten angezogen wie ein Profi. Wenn ich heute auf dem Highway trainiere, dann sieht fast jeder Amateur auf seiner getunten Maschine so aus wie ein Profi. Mir kommt es so vor, als seien mindestens 1.000 Profis am Start. Der Sport ist globaler geworden, die Spitze breiter, der Kuchen kleiner geworden. Aber die absoluten Topleistungen – Jan Frodeno mal ausgeklammert, der immer sagt, er sei nicht in einen Zaubertrank gefallen, obwohl es ein bisschen danach aussieht – sind ungefähr gleich geblieben, was für die Glaubwürdigkeit eine gute Sache ist.

Kommen Ihnen Frodenos Fabelleistungen, der mit 7:35:39 Stunden die Weltbestzeit hält, merkwürdig vor?

Er trainiert doch in Spanien (lacht). Im Ernst: Seine Zeiten wirken zumindest wie von einem anderen Stern. Jan ist der schnellste Schwimmer, der schnellste Radfahrer, der schnellste Läufer – das wäre so, als wenn im Fußball auf jeder Position ein Manuel Neuer spielen würde. Er hat es binnen kürzester Zeit geschafft, komplett abzuräumen. Kein Kurzstreckler hat solch einen Durchmarsch hingelegt. Er ist eine Kategorie wie Usain Bolt über 100 Meter – da steht der Sieger auch vor dem Start fest.

Der Sportler: Beim Ironman Hawaii platzierte Timo Bracht sich im ersten Profijahr 2004 bereits in den Top Ten. Er gilt seit Beginn seiner Karriere als Vorkämpfer für einen dopingfreien Sport. Den Traum vom Hawaii-Sieg vermochte er sich nicht zu erfüllen. 2011 gelang ihm dort mit Rang fünf die beste Platzierung. Er wohnt in Eberbach am Neckar, 30 Kilometer östlich von Heidelberg. Nach dem Studium der Sportwissenschaften war Bracht lange Zeit als Trainer in einem Fitnessstudio tätig, ehe er Profi wurde.

Das Rennen: Der Ironman Hawaii ist der älteste Triathlon über die Langdistanz mit 3,86 ­Kilometer Schwimmen, 180 Kilometer Radfahren und 42,2 Kilometer Laufen. Er wird seit 1978 ausgerichtet. Seit 1982 wird er alljährlich unter der seither als Markenzeichen geschützten Bezeichnung Ironman World Championship im Oktober auf Big Island (zuvor auf Oahu) ausgerichtet.

Das klingt ein wenig distanziert: Wie ist denn das Verhältnis?

Außer beim Ironman Lanzarote bin ich noch nicht so oft auf ihn getroffen, er startet noch nicht so lange in unserer Szene. Wir haben aber ein gutes Verhältnis, wir sind beide Laureus-Botschafter. Ich schätze ihn als Mensch. Außerdem hat er es geschafft, unseren Sport auf eine neue Ebene zu heben. Ob der Triathlon insgesamt profitiert, muss man allerdings abwarten. Niemand kann einen Hype wie einst bei Boris Becker im Tennis erwarten.

Sie haben sich früh als gläserner Triathlet präsentiert, der freiwillig seine Blutwerte öffentlich gemacht hat, um sich im Antidopingkampf zu positionieren. Warum?

Ich hatte das Glück, dass ich zu einer Zeit Profi wurde, als der Antidopingkampf unheimlich forciert wurde. Man darf das nicht nur auf Verbände oder die Antidopingagentur Nada abschieben. Ich glaube nach wie vor, dass es in der Breite fair zugeht. Ich wäre nicht so lange in diesem Sport, wenn es hier viel Beschiss gäbe. In den vergangenen Tagen hatte ich drei unangemeldete Trainingskontrollen auf Blut und Urin, eine direkt noch vor dem Abflug, zwei dann auf Hawaii mit aus Deutschland eingeflogenen Kontrolleuren.

Sie haben um die Ironman-Serie zeitweise einen Bogen gemacht. Stattdessen haben Sie sich lieber bei der Konkurrenzserie Challenge Roth verwirklicht. Viele haben das als Kritik an dem übersteigerten Ironman-Business verstanden, dessen Besitzer vor allem eines wollen: ihre Vormachtstellung ausbauen und viel Geld verdienen.

Timo Bracht, Triathlet

„Wenn es nur noch um die Kommerzialisierung geht, dann bröckelt irgendwann die Basis“

Ironman ist wie das Tempo-Taschentuch, eine Marke. Triathlon ist aber mehr als Ironman, und daran wollte ich nicht allein meine Karriere aufhängen, erst recht nicht an einem Rennen im Jahr. Daher habe ich früh Vorträge gehalten, eine Sportberatungsfirma gegründet. Beim Ironman sehe ich eine Gefahr: Wenn es nur noch um die Kommerzialisierung geht, dann bröckelt irgendwann die Basis. Vielleicht hat es auch die Deutsche Triathlon Union jahrelang verpasst, adäquate Rennen zu installieren. Außerhalb von Ironman und Roth gibt es ja fast nichts.

Die Ironman-Serie ist für 650 Millionen Dollar an den chinesischen Mischkonzern Wanda gegangen. Deren übergeordnetes Ziel lautet in Kurzform, eine Fußballweltmeisterschaft nach China zu holen. Darf sich der Ironman zu solch einem Steigbügelhalter herabstufen lassen?

Nach Frankfurt ist der Ironman auch nur gekommen, weil sich die Stadt für eine Olympiabewerbung als besonders sportlich positionieren wollte. Insofern sehe ich das nicht so kritisch. Wichtiger finde ich, dass der Sport an sich weiterentwickelt wird. Und da entdecke ich, außer dass immer mehr Rennen stattfinden, nicht viel. Die Marke hat natürlich Karriere gemacht, aber es fehlen auch in Hawaii globale Firmen, die Preisgelder sind nicht gestiegen. Die größten Sponsoren sind die Teilnehmer, und die wichtigsten Mitarbeiter sind die freiwilligen Helfer.

Dann hat sich Hawaii aber wenigstens seinen Mythos bewahrt?

Ja. Es ist immer noch diese familiäre, gewachsene Struktur. Das Event funktioniert nur hier, es kann nicht umziehen nach China, Abu Dhabi, Katar oder Moskau. Hawaii ist immer noch eine Insel der Glücksseligen, auch wenn die meisten dafür draufzahlen. Der Altersklassenathlet zahlt 1.000 Euro Startgebühr, der Profi verdient nur richtig Geld, wenn er unter die ersten sechs kommt. Ich würde als Elfter schon drauflegen.

Ist das nun ihr letzter Hawaii-Auftritt?

Das ist eine gute Frage. Ich kann sie erst nach dem Rennen beantworten. Ich will wie 2001 bei meinem ersten Start einfach glücklich sein, es geschafft zu haben. Ich war damals nach neuneinhalb Stunden auf Platz 31 zweitbester Amateur und mit mir im Reinen. Dieses Jahr ist das allerdings an eine Platzierung geknüpft: Ich will unter die Top Ten, mit Rang 20 könnte ich nicht zufrieden sein.

Und diese Verfassung haben Sie?

Ich habe den Leistungsstand von meinen besten Rennen wie der EM 2009 in Frankfurt erreicht. Aber natürlich ist die Konkurrenzsituation heute eine andere, sodass ich mich immer wieder neu erfinden muss. Das ist eigentlich das Schwierige. Am Anfang wollte ich gegen Lothar Leder gewinnen, dann bin ich gegen Normann Stadler, Faris Al-Sultan angetreten, die Raelerts kamen dazu, jetzt ist die Zeit von Sebastian Kienle und Jan Frodeno angebrochen. Ich sehe für mich eine realistische Top-Ten-Chance. Und an einem guten Tag geht mein Blick Richtung Podium.

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