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RICHTER BESTIMMEN DEN PRÄSIDENTEN DER VEREINIGTEN STAATENEin verfassungsrechtlicher Albtraum

Mit seiner einstweiligen Verfügung gegen das Nachzählen hat das Washingtoner Supreme Court getan, was nach der US-Verfassung letztlich Sache des Volkes ist. Den Willen des Volkes zu erkunden war Ziel jenes Urteils aus Florida, das nun außer Kraft gesetzt wurde. Damit hat das Oberste Gericht den Ausgang der bisher offenen Wahl präjudiziert.

Die Bush-Klage wurde angenommen, weil sie Aussicht auf Erfolg hatte. Und selbst, wenn sie bald abgeschmettert werden sollte: Bis morgen muss Florida seine Wahlmänner benannt haben, damit deren Legitimität nicht angezweifelt werden kann. Damit ist ein verfassungsrechtlicher Albtraum wahr geworden: Der US-Präsident wird von einem Gremium bestimmt, das nicht gewählt wurde. Ein angeblich überparteiliches Gericht hat parteiisch in einen Parteienstreit eingegriffen. Und: Es scheint dabei so gespalten wie das Land insgesamt. Während das Weiße Haus und der Kongress in den letzten Jahrzehnten in der Achtung des Volkes immer tiefer sanken, erfreute sich der Supreme Court trotz seiner immer restriktiveren Rechtsprechung unangefochtener Autorität. Die dürfte er mit seinem neuen Urteil verspielt haben.

Die Spaltung des Gerichts und seine ihm eigene Rechtsauslegung sind nichts Neues. Der Supreme Court hat eine lange Geschichte des Pendelns zwischen Recht- und Unrechtsprechung. Seine Urteile bieten allerdings auch Angriffsfläche. Das Gericht mache Gesetze, statt sie auszulegen, lautete der Vorwurf. Auf den neun Richterstühlen sitzen heute sieben von republikanischen Präsidenten ernannte konservative Juristen. Ihr Vorsitzender William Rehnquist trat an, Übergriffe der dritten, der judikativen Gewalt und der Bundesregierung zurechtzustutzen. Nahm sein Vorgänger noch 160 Fälle im Jahr an, behandelt das Rehnquist-Gericht halb so viele. Juristische Zurückhaltung ist das Credo des Vorsitzenden Rehnquist.

Gibt es überhaupt ein Bundesinteresse an der Abwicklung der Wahl in Florida? Das war seine dringendste Frage. Mit dem Urteil von Samstag dürfte dieses Gericht sein eigenen Grundsätze ad absurdum geführt haben. PETER TAUTFEST

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