■ Querspalte: Eine Schießerei
Die Main Street von Dodge City. Die Halunken gegen die Männer des Sheriffs. Pulverdampf. Banditen, die sich die Hände gegen die rote Soße auf ihrem Bauch pressen, glasig glotzen und von Holzdächern purzeln. Eine Schießerei. Die Schinkelstraße in Berlin-Grunewald. Um die 30 mit Stöcken bewaffnete, emotional derangierte Personen, die das israelische Generalkonsulat stürmen. Wachmänner, die, offenbar eine Hisbollah-Attacke vermutend, eifrig und ausdauernd ihre Pistolenmagazine in die Menge entleeren. Drei Kurden sterben, 14 kommen mit Perforationen davon. „Eine Schießerei“, melden die Agenturen. „Eine Schießerei“, repetieren die Abendnachrichten. „Eine Schießerei“, betet die Morgenpresse. Und irgendwie scheint der Tenor „Kurden-Terror forderte drei Tote“ von der Gewißheit gefüttert: Die Israelis haben eben zittrige Zeigefinger, das weiß man doch. Und überhaupt, früher oder später hätten diese ferngesteuerten PKK-Schwachköpfe sich ja sowieso verbrannt.
Während die Griechen sich einige Straßen weiter gottergeben den halben Haushalt zerlegen ließen, die Täter freies Geleit bekamen beziehungsweise anderswo von Daniel Cohn- Bendit durchgewinkt wurden, spielte man in Grunewald mal kurz Bekaa-Tal. Andere Konsulate, andere Sitten. Wäre selbiges in einer, sagen wir, irakischen Vertretung geschehen, hätte kein Redakteur ein Problem damit gehabt, die Begriffe „Massaker“ und „Gemetzel“ in Anschlag zu bringen. Doch so ging auch diese Zeitung, die sonst jeden Mai-Demo-Knüppeleinsatz hochnotpeinlich hinterfragte, auf Periskoptiefe. Pünktlich zum gestrigen Trauermarsch stand im taz-Lokalteil: „In Polizistenkreisen wird das Verhalten der Israelis als völlig unangemessen betrachtet. Bei dem Vorgehen der Kurden habe es sich um Hausfriedensbruch gehandelt, der keinen Schußwaffengebrauch rechtfertige.“ Na, das ist ja eine Überraschung! Dafür gibt es doch gar keine Indizien! Diese Polizeikreise aber auch! Wie die auf sowas kommen! André Mielke
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