Querspalte:
Triumph des Sports
Kürzlich eröffnete in Köln das Deutsche Sportmuseum, und wieder einmal haben Meckerer und Nörgler es kritisiert, weil es den „politisch-sozialen Kontext“ nicht genügend berücksichtige. Okay, ich bin gelernter Historiker und glaube an den Kontext, den historischen und andere. Aber eine andere Kritik an der Kölner Ausstellung lautet, dass Leni Riefenstahls „Olympia“ dort gezeigt wird als ein Pionierfilm in der Geschichte der Sportdokumentarfilme und nicht als Nazipropaganda (was zufällig der Fall war in der gerade zurückliegenden Berliner Ausstellung über Kunst des 20. Jahrhunderts).
Hat irgendeiner dieser Leute jemals den Film gesehen? „Olympia“ ist nicht „Triumph des Willens“. Tatsächlich sind in „Olympia“ Hakenkreuze zu sehen, deutsche Athleten werden gezeigt, und uns werden Einstellungen eines begeisterten Hitler vorgeführt, der in seiner Loge im Olympiastadion herumhüpft wie ein chassidischer Jude – aber es liegt Frau Riefenstahl fern, den politisch-sozialen Kontext zu vernachlässigen.
Auch die andere Kritik des Films hat mich oft verblüfft: nämlich dass in seiner Verherrlichung des menschlichen Körpers und der athletischen Leistungen eine faschistische Ästhetik zum Audruck komme. So ist es. Und es ist nicht nur faschistische, sondern auch klassische Ästhetik, durch die die athenische griechische Demokratie veranschaulicht wurde. Vielleicht fehlt es mir an unbewusster faschistischer Einbildungskraft, aber ich verstehe nicht, wie ein Film rassische arische Überlegenheit propagieren soll, wenn sein unbestrittener Star kein heldenhafter blonder Übermensch ist, sondern ein schüchterner, bescheidener schwarzer Amerikaner namens Jesse Owens (der vier Goldmedaillen gewonnen hat).
Als Amerikaner bewundere ich die Fähigkeit der Deutschen, sich mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen und selbstkritisch zu sein. Aber in Hinblick auf „Olympia“ ist mein einziger Schluss, dass die Leute nicht Leni Riefenstahl ablehnen, weil ihr Film faschistisch ist; vielmehr bezeichnen sie ihn als faschistisch, weil sie einfach Leni Riefenstahl nicht mögen. Kevin McAleer
Übersetzung: Sabine Vogel
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