Quereinsteiger im Schulunterricht: Musik beim Geologen
In vielen Gegenden ist es normal, dem Lehrermangel mit Quereinsteigern zu begegnen. Das muss kein Problem sein. Oft aber fehlen Qualitätsstandards.
Bildung ist kein Glücksspiel. Sondern ein Menschenrecht. Das deutsche Schulsystem jedoch gleicht immer mehr einer Lotterie. Mit etwas Glück gibt es einen Hauptgewinn: engagierte, gut ausgebildete Lehrer und ein sauberes, schönes Schulgebäude. Andere ziehen Nieten – oder haben nicht mal Geld für ein Los.
In Nordrhein-Westfalen etwa, wo das Schuljahr gerade begonnen hat, konnten von knapp 10.000 im Sommer ausgeschriebenen Stellen bei Lehrpersonal noch nicht mal zu 60 Prozent besetzt werden. Ebenfalls eklatanter Mangel herrscht in Hamburg, Berlin und in den neuen Bundesländern. Das Problem ist bekannt. Mit Quereinsteigern versucht man sich zu helfen. In Sachsen, hier Spitzenreiter, wurden im vorletzten Schuljahr knapp die Hälfte der neuen Stellen mit ihnen besetzt.
Das heißt, dass immer mehr Menschen an Schulen unterrichten, die kein Lehramtsstudium absolviert haben. Derweil wird vielen Quereinsteigern, die oft jahrelang teils sehr erfolgreich unterrichten, häufig das Referendariat verweigert, wodurch die den ausgebildeten Lehrern nie gleichgestellt werden, unter anderem finanziell. Kann das ein Zustand sein?
Klar, gar nicht zu unterrichten ist keine Alternative. Und es gibt ja Kriterien für diejenigen, die aus anderen Berufen in den Schuldienst wechseln wollen: in Berlin ist das unter anderem ein Hochschulabschluss, von dem sich laut Senatsverwaltung „mindestens ein Fach der Berliner Schule zuordnen lässt.“
Quereinsteiger im Schuldienst sind also, zumindest um einen temporären Lehrermangel zu überbrücken, keine ganz schlechte Idee. Oft läuft es auch gut für alle Beteiligten.
Mangel an Mentoren
Doch meistens sieht es in der Praxis dann ganz anders aus. Denn während Schulen in „besseren Vierteln“ häufig gar kein Problem damit haben, ihre freien Stellen mit ausgebildeten Lehrern zu besetzen (und sich auch nicht selten auf Druck der Eltern erfolgreich gegen die Einstellung von Quereinsteigern wehren), haben die Schulen in sogenannten Problembezirken oft gar keine Wahl.
Das heißt: Gerade Kinder aus „bildungsfernen“ Elternhäusern werden verstärkt von Menschen unterrichtet, die das nicht gelernt haben und es sich dazu in der Praxis häufig selber beibringen. Dazu mangelt es oft an ausreichender Betreuung durch „Mentoren“, die den Neulehrern praktisch und fachlich zur Seite stehen.
Natürlich kann es trotzdem klappen mit dem guten Unterricht, denn Durchsetzungsvermögen oder Freude am Beruf lernt man nicht im Studium.
Trotzdem sollte es politisch möglich sein, für den beruflichen Quereinstieg als Lehrer feste und einheitliche Voraussetzungen zu schaffen, auf die sich sowohl die Quereinsteiger als auch die Eltern verlassen können. Eine Eins-zu-eins-Betreuung durch einen Mentor sollte selbstverständlich sein, ebenso wie ausreichend Zeit für Fortbildung. Niemand ohne didaktisch-pädagogische Ausbildung sollte gleich im ersten Jahr Fächer unterrichten, die er nicht studiert hat. Und vor allem sollte genau festgelegt werden, wie viele Quereinsteiger ein Lehrerkollegium prozentual verkraften kann.
Wo Physiker Deutsch unterrichten
Mein Sohn geht seit sieben Jahren in Berlin zu Schule. So gut wie jedes Jahr hatte er neue Lehrer, immer gab es gute und weniger gute. Einige wenige Quereinsteiger waren auch immer dabei. Zwar hat es uns hin und wieder irritiert, dass sein Sportlehrer eigentlich Fußballtrainer war, die Deutschlehrerin promovierte Politologin und ein Geologe Musik unterrichtete, aber erstaunlicherweise ging es trotzdem immer irgendwie.
Schwer vorstellbar allerdings, wie es an Schulen läuft, wo nicht temporär Quereinsteiger Nebenfächer unterrichten, sondern zum Beispiel Kinder mit nichtdeutscher Muttersprache von quereingestiegenen Diplom-Physikern lesen und schreiben lernen sollen.
Und so wirkt die Politik letztendlich aktiv an der gesellschaftlichen Spaltung mit. Denn natürlich sehen Eltern diesem Politikversagen nicht einfach tatenlos zu. Die, die es sich leisten können, ziehen innerhalb der Stadt um, wenn das Kind ins schulpflichtige Alter kommt.
So bleibt eine soziale Durchmischung der Schülerschaft, von der letztendlich alle profitieren könnten, leider aus.
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