piwik no script img

Queeres Feiern im ParkSpektakulär unspektakulär

Queer sein heißt auch, Bratwurst zu essen und zu Allerweltsmusik zu tanzen. Aber was ist schon normal beim LesBiSchwulen Parkfest in Friedrichshain?

Feiern im Volkspark Friedrichshain Foto: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

A uch auf einem stinknormalen Volksfest lässt sich queeres Leben feiern und für Toleranz und Vielfalt werben. Vielleicht sogar gerade da, wo normalerweise Achtsamkeit nicht besonders groß geschrieben wird und schnell begeistert mitgegrölt wird, wenn der DJ endlich „Layla“ auflegt.

Auf dem diesjährigen LesBiSchwulen Parkfest im Volkspark Friedrichshain in Berlin am vergangenen Wochenende wurde jedenfalls demonstriert, dass auch Queere dieser urdeutschen Form von geselliger Gemütlichkeit etwas abgewinnen können. Sich dabei aber nicht schon am frühen Nachmittag automatisch die ersten Alkoholleichen stapeln müssen, wie das bei derartigen Zusammenkünften eigentlich üblich ist. Wenn es bei einem gelungenen Volksfest vor allem darum gehen sollte, dass die Leute Spaß dabei haben, ihre Bratwurst zu essen und zur Allerweltsmusik eines Unterhaltungskünstlers im lustigen bunten Hemd zu tanzen, dann könnte man dieses Fest im Park als herausragend bezeichnen.

Ein geradezu provozierendes Bekenntnis zum Stinknormalen zeigte sich auch daran, dass schon rein äußerlich den Besuchern und Besucherinnen jegliche CSD-typische Form von Schrillheit abging. Als kinky oder sonstwie besonders in Schale geworfen fiel hier eigentlich niemand auf. Beim nächsten Münchner Oktoberfest, wo die Leute in ihren bizarren Lederhosen ihr Bier trinken, kleidet man sich sicherlich absonderlicher als bei diesem spektakulär unspektakulären Beieinandersein.

Vielleicht hat es ja auch etwas schon unverschämt Subversives an sich, derartige Institutionen und Bräuche der sogenannten heteronormativen Mehrheitsgesellschaft zu kapern. Dann wäre auch das diesjährige Festmotto „Hallo Familie“, das so harmlos daherkommt, eine Art Anschlag auf die Gedankenwelt des durchschnittlichen Biederdeutschen. Nichts ist dem ja heiliger als die klassische Kernfamilie. Und wenn dieser die Schwulen, Lesben und ausdrücklich auch noch die Bisexuellen ihre bunten Regenbogengemeinschaften entgegensetzen, reagiert er schnell ganz schön empfindlich.

Der Volkspark Friedrichshain entstand 1846 als erste kommunale Grünanlage Berlins. Später kam nach dem Zweiten Weltkrieg dort der Große Bunkerberg (Mont Klamott) dazu, mit 78 Metern die höchste Erhebung des Bezirks Friedrichshain-Kreuzberg.

Auch der Ort für eine derart subtile Form queerer Aneignung ist perfekt gewählt. Vordergründig ist der Volkspark Friedrichshain ja ein echter Vorzeigeort. Im Vergleich zu anderen Berliner Parks geht es hier verhältnismäßig friedlich zu, sogar im klassischen Sinne schön kann man ihn nennen, was man wirklich nicht über viele Parks in dieser Stadt sagen kann.

Auf der Suche nach Abenteuern

Aber eigentlich ist er auch ein ziemlich beliebtes Cruising-Areal für Schwule auf der Suche nach Abenteuern. Der bürgerliche Mainstream ist hier also längst vom queeren Lifestyle unterwandert, ohne das selbst vielleicht überhaupt so richtig mitzubekommen. Auf einschlägigen Gay-Portalen werden Cruiser sogar aufgefordert, dafür zu sorgen, dass das möglichst so bleibt. Taschentücher bitte nach Gebrauch entsorgen, heißt es dort.

Deutlich erkennbare politische Botschaften gingen von dem queeren Volksfest freilich aber auch aus. Buden, die von der SPD bis zum Jobcenter betrieben wurden, warteten mit den üblichen regenbogenfarbenen Logos auf. Einfacher, aber auch klarer lässt sich ein Bekenntnis gegen Diskriminierung aller Art ja kaum haben. Und so ein Jobcenter hat sowieso immer eine gewisse Motivation, sich als mitnichten bloß graue Behörde darzustellen. Und die Linkspartei wurde bei ihrem Stand sogar so plakativ politisch, dass daran wirklich nichts mehr subtil war. Trans Personen schützen, gegen Milliardäre vorgehen, das war die Botschaft auf einem ihrer Aushänge. Die Verrenkung, diese beiden Klientele derart miteinander in Verbindung zu bringen, muss man so erst einmal hinbekommen.

Nur Friede, Freude, Eierkuchen bietet einem das queere Leben aber auch auf dem ausgelassensten Volksfest nicht. Darauf machten dessen Veranstalter danach über die sozialen Medien noch einmal aufmerksam. Zur selben Zeit, in der hier in Friedrichshain die Welt ziemlich in Ordnung schien, fanden mindestens drei queerfeind­liche Anschläge mitten in Berlin statt, schrieben sie.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!