piwik no script img

Queerer Protest am Potsdamer Platz„Ein neuer Zusammenhalt“

Heute abend soll auf dem Potsdamer Platz die Regenbogenflamme entzündet werden. Dank Putin rücke die queere Szene zusammen, sagt Künstlerin Romy Haag.

Protest in London gegen Putins homophobe Haltung. Bild: reuters
Interview von Kim Trau

taz: Frau Haag, heute wird bei den Winterspielen in Sotschi das olympische Feuer entfacht, zeitgleich will die pro-Queer-Initiative Enough ist Enough auf dem Potsdamer Platz die „Rainbow Flame“ entzünden. Sie werden dort mit dem Anti-Homophobie-Song „Love ist not for Propaganda“ auftreten. Was bringt diese Protestaktion der queeren Szene im fernen Russland?

Romy Haag: Sie sollen sehen, dass man sich auch im Ausland darum kümmert, was bei ihnen los ist. Präsident Putin ist dabei, aus den Schwulen und Lesben Sündenböcke zu machen, denen man die Schuld an allem Möglichen geben kann und an denen die Benachteiligten und Unzufriedenen in Russland ihre Aggressionen auslassen können.

Trotzdem: Müssten Sie nicht auch in Sotschi Präsenz zeigen mit Ihrem Protest?

Wir sind mit unserem Song ja auch in Sotschi präsent: „Love is not for Propaganda“ ist ganz regulär über das russische iTunes verfügbar. Mit unserer Regenbogenflamme auf dem Cover! Zudem sollen die Einnahmen, die wir mit dem Verkauf des Songs online machen, komplett an russische LGTBI-Projekte gehen.

Das queere Onlinemagazin siegessäule bejubelt sie als „queere Ikone Berlins“. Ein schöner Titel?

Ich beteilige mich an vielen Sachen. Sei es die Aidshilfe oder die Kinderhilfe. Jetzt habe ich wieder einen Titel mehr. Ich finde das vor allem lustig.

Im Interview: Romy Haag

63, in Scheveningen, Niederlande, geboren. Die transsexuelle Sängerin und Schauspielerin lebt seit den 70er Jahren in Berlin.

Der Weg zum queeren Idol war allerdings nicht gerade einfach für Sie.

Ich wurde von meinen Eltern mit 13 aus dem Haus geschmissen, weil ich mich als transsexuell geoutet hatte. Da habe ich meinen Koffer gepackt und bin von den Niederlanden nach Paris gegangen. Ich hatte einen Zeitungsartikel über Coccinelle gelesen, eine transsexuelle Nachtclubtänzerin. Von da an wusste ich, dass ich nicht alleine bin.

Flamme gegen Homophobie

Während der Dauer Olympias in Sotschi soll auf dem Potsdamer Platz die Rainbow Flame brennen. Hinter der Aktion steht die queere Initiative Enough ist Enough!

Am Freitag, 17 Uhr, wollen die Aktivisten die Flamme entzünden. Romy Haag wird mit anderen Künstlern gemeinsam "Love is not for Propaganda" singen.

Hat das nicht sehr viel Mut erfordert?

Ich habe immer das Gefühl, dass Kinder in den späten 50er Jahren und Anfang der 60er Jahre sehr viel erwachsener waren als die heutigen. Die Nachkriegskinder mussten früh reif sein. Ich habe mit 13, noch vor meinem Rausschmiss, bereits in einem Hotel gearbeitet.

Sie haben als Nachtclubsängerin angefangen. Würden Sie das heute wieder tun?

Damals gab es gar keinen anderen Weg, als im Nachtleben zu arbeiten. In Frankreich war es verboten, als Frau auf die Straße zu gehen, wenn man, juristisch gesehen, männlich war.

Haben sich Transsexuelle damals schon ähnlich organisiert wie heute?

Nein, absolut nicht. In den 60er Jahren ging man in Clubs, von denen man wusste, dass dort Transsexuelle arbeiten und hat versucht, dort einen Job zu finden. That’s it. Andere Möglichkeiten gab es überhaupt nicht. Das war später auch ein Grund für mich, in Berlin den Nachtclub Chez Romy Haag aufzumachen, um auch anderen Transsexuellen Arbeit zu geben.

Gab es kein politisches Engagement?

Es war damals schon ein politisches Statement,wenn man einfach nur zu sich gestanden hat. Man hat zusammengehalten, auch mit Schwulen und Lesben, ohne sich groß politisch zu organisieren.

Und heute?

Ich habe das Gefühl, dass durch die Ereignisse in Russland gerade wieder ein neuer Zusammenhalt entsteht. Heute gibt es aber auch neue Möglichkeiten, sich zu organisieren. „Enough is Enough“ ist zum Beispiel einer Gruppe junger Leute, die vor allem durch das Internet viele Menschen erreicht. Ich finde es schön, dass die Initiative sich bemüht, die verschiedenen Generationen im Protest zusammen zu führen. Nur so bewegt sich etwas.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • UT
    used to queer sth

    "Queerer Protest" sollte anders aussehen.

    Seine Reichweite sollte auch größer sein, als Russland und Olympia. Symbolische Unterstützung ist super, aber plakativ. Das Label verschwindet die nächsten Wochen sehr leise, mit ihm der Zorn, Drang nach Veränderung, eine Masse politisch gewordener 'Activist_innen'. Soyons des activstes, c'est très facile.

    Ich will ja auch nicht nur meckern und was ich auch eigentlich nur sagen will:

    Ich bin einfach nur traurig, weil es so offensichtlich ist.

     

    Liebe TAZ,

    tu es den Aktivist_innen dieser Thematik nach Sotschi nicht gleich.

  • B
    Blechstein

    Was uns als Kampf für die Gleichberechtiung Homosexueller verkauft wird, ist der erneute Versuch einen neuen Menschen durch die "Hintertür" zu schaffen.

    • H
      Hans
      @Blechstein:

      Oh mein Gott!!1!

      Ein "neuer" Mensch?! Wir es grün sein, oder blass-gelb-klarriert. Wird es noch Trennung zwischen Mann und Frau geben. Wird es noch Arme und Beine haben. Welche Sprache wird es sprechen. Mag es Fussball? http://www.youtube.com/watch?v=bAop_iq7ZkA

       

      Durch die ""Hintertür"", oh mann, der war echt traurig. Mario Barth-Niveau.

       

      Ich freue mich auf die Ankunft der Aliens und hoffe, dass Sie uns endlich Frieden bringen.

    • G
      Geisterbahn
      @Blechstein:

      Aha. Wie gut, dass Sie "das Problem" erkannt haben. Da Ihre "Hintertür" offensichtlich fest verammelt ist, brauchen Sie ja nichts zu befürchten. Es sei denn, sie brüten ein Alien aus.