Queere Jugendberatung in Köln: Trotz Bedarf vor dem Aus
Seit 2020 bietet anyway eine queere Jugendberatung in Köln an. Nun fehlen der Stadt Gelder für die Finanzierung des Vereins. Ein Ortsbesuch.
Doch sie tun sich schwer. „Wir können versprechen, dass wir alles Mögliche tun“, sagt Florian Weber (CDU) und erntet vereinzelte Buhrufe. Zu wenig für die Protestierenden. Man hoffe, das sei ein Missverständnis, das man „ausbügeln“ könne, und sei selber „entsetzt“ gewesen. Verhaltener Applaus, die Protestierenden bleiben skeptisch. Denn obwohl die Beratungsmöglichkeit für Jugendliche erst seit 2020 existiert, hat sie hier einen hohen Stellenwert. Max-Liam (20) aus Köln erzählt, dass die Beratung im anyway für seinen Prozess bis zum Outing als trans eine zentrale Rolle gespielt hat.
„Es gibt so viele trans Jugendliche, die keinen Therapieplatz haben und von den Eltern keinen Support erwarten können“, sagt er, „die aber mit jemandem reden müssen. Wenn diese Stelle gestrichen wird, sind sie komplett auf sich alleine gestellt“. Der Bedarf scheint da: Bis einschließlich August hat das anyway mit der Beratungsstelle laut eigenen Angaben in diesem Jahr 600 Beratungskontakte gehabt, insgesamt mit offenen Angeboten und anderem etwa 4.000 Jugendliche erreicht.
Die Nachricht von der fehlenden Förderung fiel ungefähr zusammen mit der vom Tod des trans Manns Malte, der am Rande des CSD in Münster zusammengeschlagen worden war. Die Demo für das anyway in Köln ist für viele bereits die zweite Veranstaltung an diesem Tag – nach der Mahnwache für Malte auf der Domplatte zwei Stunden früher. Viele dort sind fassungslos über die fehlende Förderung, wie zum Beispiel der trans Mann Yohan (23): „Dass direkt nach so einer Tat und immer offener werdender Transfeindlichkeit jungen Leuten die Möglichkeit genommen wird, sichere Räume zu haben und für andere zu schaffen, finde ich eine absolute Schande.“
Überraschende Entscheidung
Die Entscheidung kommt überraschend. Die Kölner Stadtregierung aus Grünen, CDU und Volt hatte eigentlich kürzlich noch versprochen, die Arbeit des anyway zu stärken. Eigentlich ist das anyway chronisch unterfinanziert, 143.000 Euro im Jahr fehlen, für Buchhaltung, Geschäftsführung, all das wird ehrenamtlich aufgefangen. Die Verhandlungen über mehr Geld von der Stadt sahen eigentlich vielversprechend aus, heißt es aus dem Umfeld des Jugendzentrums. Dass es jetzt nicht mehr, sondern weniger Geld geben soll, ist auch für das Ratsbündnis eine Überraschung.
Das liegt daran, dass der Haushaltsentwurf in der Kölner Verwaltung erstellt wird, bevor der Rat darüber entscheidet. Betroffen von massiven Kürzungen ist aktuell nicht allein das anyway: Im gesamten Jugendbereich fehlen über 900.000 Euro. Bis der Haushalt im November verabschiedet werden kann, werden noch viele politische Kämpfchen ausgetragen werden. Oberbürgermeisterin Henriette Reker schreibt auf Anfrage der taz: „Ich bin allen, die sich im anyway e. V. für die Hilfe und Beratung von queeren jungen Menschen einsetzen, dankbar für ihr Engagement. Der anyway e. V. leistet damit wertvolle Arbeit in der queeren Community in Köln.“
Verhalten-positive Stimmung
Doch sie äußert sich nicht konkret zur Zukunft der Beratungsstelle. „Ich bin sicher, dass im Rahmen der politischen Beratung des Haushalts eine zufriedenstellende Lösung für das anyway gefunden wird“, schreibt dagegen Sven Lehmann, der Queer-Beauftragte der Bundesregierung.
Auch die drei Abgeordneten, die sich dem Protest stellen, versuchen, diese verhalten-positive Stimmung zu transportieren. „Wir können euch nichts versprechen, aber ihr könnt uns an unserem Bündnisvertrag messen“, sagt Manuel Jeschka (Volt). Und im Bündnisvertrag steht, man werde das queere Jugendzentrum anyway stärken. Der Applaus der Protestierenden ist höflich, doch so richtig überzeugt ist man hier noch nicht.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Sourani über das Recht der Palästinenser
„Die deutsche Position ist so hässlich und schockierend“
Autounfälle
Das Tötungsprivileg
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Deutscher Arbeitsmarkt
Zuwanderung ist unausweichlich
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen