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Queer-migrantische Beratung in BremenMehr Geld, trotzdem Not

Laut Koalitionsvertrag soll queer-migrantische Arbeit gestärkt werden. Mehr Geld gibt es nun beim queeren Rat&Tat-Zentrum – doch auch mehr Kosten.

Die Botschaft ist alt (hier CSD 2009 in Oldenburg) – aber wird sie gehört? Foto: Ingo Wagner/dpa

Bremen taz | Das Versprechen steht auf Seite 56 des rot-grün-roten Koalitionsvertrags: „Wir wollen migrantische Partizipation und Selbstorganisierung stärken.“ Unter anderem solle dafür die „queer-migrantische Selbstorganisierung beim Rat&Tat-Zentrum verstärkt finanziell gefördert werden“, schreiben die Parteien. Beim Rat&Tat-Zentrum für queeres Leben hadert man momentan mit diesen Worten. Denn ausgerechnet die Finanzierung einer Stelle, mit der im Zentrum queere Migrant*innen unterstützt werden, steht auf wackligen Beinen.

Momentan besetzt Ali Tutar diese Stelle. Er ist bei Rat&Tat angestellt, arbeitet aber für Queeras­pora, das als selbst organisierte Gruppe an das Zentrum angegliedert ist. Tutar leitet die Gruppe, berät queere Geflüchtete und Migrant*innen zu Intersektionalität, Arbeit und indivduellen Problemen, macht Bildungsarbeit, sitzt im queerpolitischen Beirat. Tutar versteht sich auch selbst als Teil der queeren BIPoC (Black, Indigenous, People of Color) – das mache das Angebot so besonders, findet er.

Die Worte der Koalitionspartner hatten mindestens die Hoffnung ausgelöst, Tutars Stelle sichern zu können. Dies sei auch schon unter der Hand zugesagt worden, sagt Rat&Tat-Geschäftsführer Christian Linker. Die zweite Stelle in der Queeraspora-Beratung – die Kollegin von Tutar berät zu Asyl und Aufenthalt – sei dagegen nicht bedroht, sagt Linker, weil sie fast vollständig über Bundesmittel laufe.

Kai Wargalla (Grüne) und Maja Tegeler (Linke), beide queerpolitische Sprecherinnen ihrer Fraktionen, wissen um die Relevanz der Arbeit von Queeraspora im Bereich Mehrfachdiskriminierung. „Sie sind die einzigen in Bremen und bundesweit Pionier*innen“, sagt Wargalla. Dass Rat&Tat mehr Mittel zugesprochen bekommen hat, verbucht sie als großen Erfolg. Dennoch: Der Senat müsse auch eine Lösung dafür finden, Tutars Stelle langfristig zu sichern, fordern sie und Tegeler. So stehe es schließlich im Koalitionsvertrag.

Das Gefühl, nur mit Ach und Krach gehört zu werden, will ich nicht

Ali Tutar, Gruppenleiter Queeraspora

Es gibt schon einen „ordentlichen Zuschlag“ für Rat&Tat, sagt Bernd Schneider, Sprecher der Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne). Zusätzliche 65.000 Euro für 2020 und weitere 55.000 Euro für 2021 sind vorgesehen. Mehr gebe der Haushalt nicht her. „Aus zuwendungsrechtlichen Gründen“ lasse sich nicht einfach dauerhaft eine Stelle finanzieren – die Mittel seien lediglich für spezifische Zwecke abrufbar, erklärt Schneider, die Umsetzung verantworte der Träger. Dass irgendwer bereits zusätzlich eine feste Stelle zugesagt haben soll, müsse daher ein „Irrtum oder Missverständnis“ sein.

Der Verein habe die Mittel inzwischen auch beantragt, sagt Geschäftsführer Linker, eine mündliche Zusage für die Gelder gebe es. Die Angestellten könnten nun endlich nach dem Tarifvertrag der Länder bezahlt werden. Und für einen großen Teil des Geldes soll die Beratung von Rat&Tat barrierefrei werden – „aktuell ist sie das nicht. „Das ist ein Zustand, den wir schon gefühlte Jahrzehnte anprangern“, sagt Linker.

Obwohl 120.000 Euro eine Menge Geld sei, „ist es daher sofort verbraucht“. Die Stelle von Tutar für die Beratung queerer Migrant*innen ist in diesen Plänen nicht enthalten. Das Angebot war bis Ende des Jahres projektfinanziert, aktuell zahlt der Verein sie übergangsweise aus eigener Tasche. „Das halten wir aber nicht lange durch.“ Linker versucht daher nun, die Stelle über einen weiteren Projektantrag zu finanzieren – das zuständige Referat im Sozialressort wolle schauen, ob es „aus verschiedenen Etats etwas zusammenkratzen“ kann.

Dass von der Stadt suggeriert werde, dass Tutars Arbeitsplatz über die 120.000 Euro finanziert werden muss, entspreche nicht dem Inhalt des Koalitionsvertrages, sagt der Geschäftsführer. Tutars Arbeitsbereich sei nicht unter Queerpolitik, wo das Rat&Tat-Zentrum als solches verortet wird, sondern gesondert im Bereich Integration aufgeführt. Dort steht: „migrantische Selbstorganisation stärken“ – und eben der oben zitierte Passus.

Dieses Hangeln von Projekt zu Projekt, diese „Bittstellerrolle“ – all das fühlt sich nicht gut an, sagt Tutar. „So haben wir Schwierigkeiten, in diesem weiß dominierten Kontext anzukommen.“ Die Arbeit werde marginalisiert, nicht zuletzt durch die finanzielle Ausstattung. Und obwohl das Angebot so einzigartig sei, komme man immer als letztes, sagt Tutar. „Das Gefühl, nur mit Ach und Krach gehört zu werden, will ich nicht.“ Danach sei man ausgelaugt – und arbeiten müsse man ja auch noch. „Wir brauchen Stabilität.“

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