Qualitätsjournalismus der Krautreporter: Kampagnenstart mit viel Pathos
Das Portal Krautreporter will „Geschichten hinter den Nachrichten“ anbieten. Dafür sollen aber erst einmal 900.000 Euro von den Lesern eingeworben werden.
Ein Dutzend Journalisten plant die Revolution. „Alles oder nichts“ heißt es jedenfalls in ihrem Videoclip, in dem so viel klebriges Pathos steckt, dass es davon nur so trieft. Die Uhr tickt dabei im Hintergrund. Dazu gibt’s Plattitüden am laufenden Band: „Ich liebe es, draußen zu sein und als Reporter durch die Welt zu streifen“; „Nenne eine Lüge eine Lüge, wenn es eine Lüge ist“; oder auch: „Journalismus, den ich mache, heißt, ich gehe dahin, wo es weh tut.“ Und natürlich wollen sie die „Geschichten hinter den Nachrichten“ liefern. Kurzum: Ihr Promo-Material ist vor allem eines – austauschbar.
Diese Einfallslosigkeit ist schade, denn das Projekt weckt im Kern große Hoffnungen. Während der Journalismus im Digitalen nämlich nur allzu oft dort aufhört, wo es erst richtig spannend wird, wollen sie genau hier einsteigen. Der Plan: Unabhängigkeit vor allem vom Druck der Klicks, der sonst dazu führt, dass oft die Masse die eigentliche Klasse sticht und der belohnt wird, der möglichst schnell von einem Hype zum nächsten hüpft.
Dafür soll nicht die Werbeindustrie mit ihren Tausender-Kontakt-Preisen die Inhalte finanzieren, sondern allein die Leser. Die Krautreporter, wie das neue Portal heißen soll, versprechen grob fünf Geschichten pro Tag, alles werbefrei und das für fünf Euro pro Monat. Wer sich mit den Machern unterhält, erfährt: Nicht Vollständigkeit ist das Ziel, sondern Besonderes. Das Online-Magazin „Krautreporter“ will ein komplementäres Angebot sein, nach dem Motto: Nachrichten bringen doch eh’ alle – eine Falle.
„Wenn wir zu einem Thema keinen eigenen Ansatz haben, lassen wir die Finger davon“, verspricht Sebastian Esser. Er hat einst Krautreporter gegründet, das bis zuletzt als Crowdfunding-Plattform diente und Medienmacher mit Geldgebern zusammenbrachte. Das hat überraschend häufig geklappt, wenn auch jeweils eher im kleinen Rahmen. Für die nächsten vier Wochen sammelt er nur noch für ein Großprojekt: sein neues Magazin.
Vor allem Nachwuchs ist dabei
Von Dienstag an sollen bis spätestens zum 13. Juni insgesamt 15.000 Finanziers zusammenkommen, die sich für ein Jahr verpflichten und damit jeweils 60 Euro vorschießen. Denn erst wenn 900.000 Euro zusammen gekommen sind und er seinen Autoren Pauschalen von 2.000 Euro im Monat oder mehr bezahlen kann, will Esser überhaupt mit der Umsetzung beginnen. Die Autoren sollen dann übrigens einen Text pro Woche liefern – kein schlechtes Geschäft. Los gehen soll es dann im Herbst.
Das Projekt erinnert dabei an ähnliches im Ausland, vor allem an De Correspondent in den Niederlanden oder – zumindest in Ansätzen – auch an Mediapart in Frankreich. In beiden Fällen, vor allem aber in Paris, konnten die Macher damit Punkten, dass äußerst etablierte politische Autoren für das Projekt standen. Das ist hier weitgehend anders.
Krautreporter versammelt vor allem journalistischen Nachwuchs – Frauen wie Männer – und dazu einige Schreiber, die vor allem im Netz bekannt sind: Stefan Niggemeier (Medien), Jens Weinreich (Sport), Thomas Wiegold (Verteidigung), Richard Gutjahr (Digitales). Ob sie es schaffen, das große Publikum für sich zu gewinnen? Es wäre gewiss eine kleine Sensation – und wünschenswert allemal, weil es den Druck auf viele Verlage erhöhen würde, mehr in Recherche zu investieren und Autoren zu pflegen.
Schwierig dürfte dabei allerdings werden, dass die Macher potenzielle Geldgeber weitgehend im Unklaren darüber lassen, wie ihr Portal aussehen soll – keine Skizzen, kein Bericht aus der Werkstatt. Und dann wollen die Krautreporter doch tatsächlich ihren Journalismus frei ins Netz stellen. Ja, ausgerechnet das Portal, das sich gegen die schlechte Finanzierung des digitalen Journalismus stemmen will, plant, im Netz die Kostenlosmentalität zu befeuern. Auf Reichweite wollen eben auch sie nicht verzichten.
Krautreporter setzt vielmehr auf das Klub-Modell: Wer Mitglied wird, darf sich mit seinen Gleichgesinnten und vor allem mit den Autoren austauschen. Nur sie sollen die Beiträge etwa kommentieren können. Außerdem denken Esser und Co. über zusätzliche Inhalte nach – eBooks, Lesungen und andere Gimmicks. Wer Teil des Projekts wird, soll schließlich auch die Möglichkeit haben, in Recherchen einbezogen zu werden. „Wir wissen ja dann über die Datenbank, welches Mitglied wo lebt“, sagt Esser. „Wer möchte, kann dann von uns bei Bedarf gezielt angesprochen werden.“
Freie Inhalte, nur die Extras kosten – diese Konstruktion erhöht die Spannung.
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