Putsch in Niger: Frankreich evakuiert Europäer
Evakuierungsflüge verlassen Niamey. Mali und Burkina Faso sichern Nigers Putschisten im Falle einer Militärintervention Rückendeckung zu.
Die Aktion gab das Außenministerium in Paris erst bekannt, als die Maschinen bereits in der Luft waren. „In Anbetracht der Lage in Niamey, der Gewalt gegen unsere Botschaft vorgestern und der Schließung des Luftraums, die unseren Landsleuten keine Möglichkeit lässt, das Land auf eigene Faust zu verlassen, bereitet Frankreich die Evakuierung seiner Landsleute und jener europäischen Landsleute vor, die das Land verlassen möchten“, hieß es in der Erklärung. „Diese Evakuierung beginnt heute.“ Die Landsleute in Niger hatten bereits in der Nacht zum Dienstag eine entsprechende Mail erhalten, in der sie gebeten wurden, sich bis 14 Uhr Ortszeit am Flughafen einzufinden, mit möglichst wenig Gepäck.
Rund 100 Franzosen fanden sich bis zum angegebenen Zeitpunkt ein, wurde am Nachmittag berichtet. Etwa 600 französische Staatsbürger sollen in Niger leben. Unklar ist, ob alle ausreisen wollen.
Mali und Burkina Faso verkünden „brüderliche Solidarität“
Die Aktion sei mit Nigers Streitkräften koordiniert, hieß es weiter. In Niger hat das Militär am vergangenen Donnerstag die gewählte Regierung gestürzt. Putschanhänger hatten am Sonntag Feuer an der französischen Botschaft gelegt und russische Flaggen geschwenkt.
Die Spannungen steigen, seit die Regionalorganisation Ecowas (Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft) am Sonntag bei einem Sondergipfel in Nigeria gegen Nigers Putschisten eine Wirtschaftsblockade verhängte und ihnen eine Woche Zeit gab, um die Macht an den gewählten Präsidenten Mohamed Bazoum zurückzugeben. Ansonsten sei militärische Gewaltanwendung nicht auszuschließen.
Die regierenden Militärs in Mali und Burkina Faso, die aus der Ecowas ausgeschlossen sind und am Gipfel nicht teilnahmen, erklärten daraufhin am Montagabend in einer gemeinsamen Erklärung ihre „brüderliche Solidarität“ mit dem „nigrischen Brudervolk“ und warnten: „Jede Militärintervention gegen Niger wird mit einer Kriegserklärung gegen Burkina Faso und Mali gleichgesetzt.“ Die beiden Länder würden dann „Maßnahmen der legitimen Selbstverteidigung“ ergreifen. Auch Guinea, wo ebenfalls das Militär regiert, solidarisierte sich mit Nigers Putschisten.
Ende der französischen Militärpräsenz in Niger?
Sowohl Frankreich als auch Niger dürfte daran gelegen sein, dass eine französische Evakuierung noch vor einer möglichen militärischen Konfrontation abgeschlossen wird. Ob das auch das Ende der französischen Militärpräsenz in Niger bedeutet – dort steht der rund 1.500 Mann umfassende Rest der aus Mali abgezogenen Antiterroroperation Barkhane –, ist aber nicht klar. Ebenso wenig das Schicksal der US-Spezialkräfte in Niger, der EU-Missionen dort und der rund 115 deutschen Soldaten, die zum Teil innerhalb der EU-Missionen und zum Teil im Rahmen des über Niger laufenden Bundeswehrabzugs aus Mali im Land sind.
Deutschland legt den weniger als 100 Deutschen in Niger nahe, sich ebenfalls ausfliegen zu lassen. Frankreich habe dies angeboten. „Das Auswärtige Amt rät grundsätzlich allen deutschen Staatsangehörigen in Niamey, das Angebot anzunehmen“, erklärte ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Nach einer Sitzung des Krisenstabes der Bundesregierung am Nachmittag wurde eine Reisewarnung für Niger ausgesprochen und allen Deutschen zur Ausreise geraten. Außenministerin Annalena Baerbock sprach sich für eine „politische Lösung“ des Konflikts in Niger aus und für die Wiedereinsetzung der gewählten Regierung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nan Goldin in Neuer Nationalgalerie
Claudia Roth entsetzt über Proteste
Politikwissenschaftlerin über Ukraine
„Land gegen Frieden funktioniert nicht“
Juso-Chef über Bundestagswahlkampf
„Das ist unsere Bedingung“
taz-Recherche zu Gewalt gegen Frauen
Weil sie weiblich sind
Verein „Hand in Hand für unser Land“
Wenig Menschen und Traktoren bei Rechtspopulisten-Demo
Internationaler Strafgerichtshof
Ein Haftbefehl und seine Folgen