Punkband True Dreams: Nicht nur niedlich

Zwei Riot-Grrrl-Punkerinnen räumen auf mit Rollenbildern. Ihr Debütalbum bewegt sich zwischen spielerischem R&B und dadaistischem Non-Sense.

Zwei Frauen, denen Herzen zufliegen und Blut aus den Augen läuft

Das feministische Punk-Duo „True Dreams“: Dicke Buddies Foto: Lousy Moon Records

Ein Interview mit einer Band, die sich selbst als „teenager punx who are tired of taking yr shit“ bezeichnet und die bei einer ersten vorsichtigen Einordnung ihrer Musik sofort ihre Riot-Grrrls-Attitüde anführt, kann ja eigentlich nur gut werden. Auf die Frage, ob sie nicht dennoch auch irgendwie süß und niedlich herüberkämen, entgegnet Hannah Nichols, Drummerin des Duos True Dreams: „Ich freue mich sehr, dass du unsere Musik ‚süß‘ nennst...“

Natürlich wollen die beiden Musikerinnen aber nicht primär niedlich sein, eher geht es in ihrer Performance und Ästhetik darum, Rollenbilder zu thematisieren, das ist ihrem jüngst erschienenen Debütalbum „No. 1“ in jeder Sekunde anzuhören.

So nennt Nichols auch die US-Riot-Grrrl-Pionierinnen von Bikini Kill und Bratmobile ebenso wie die britische Anarchopunk­legende Crass als Einfluss, in deren Kommune sie einst einen Sommer lang als Rucksackreisende gewohnt hat. Außerdem zählt sie die New Yorker Band The Cramps zu den Gruppen, deren „Camp- und Bondage-Ästhetik“ sie inspiriert habe.

Sängerin und Gitarristin Angela Carlucci führt im Mail-/Chat-Interview zudem Motown-Soul und Doo-Wop als wichtigen Bezugspunkt an, wobei Doo-Wop eine besonders spielerische R&B-Variante mit oft dadaistischen Nonsense-Silbensongtexten ist, die seit den späten 1940er Jahren erst unter afroamerikanischen Jugendlichen hip wurde und dann auf die ganze USA überschwappte. „Außerdem“, ergänzt die Mittdreißigerin, „nennen wir eigentlich immer die Ramones als gemeinsame Lieblingsband.

True Dreams: „No. 1“ (Lousy Moon Records/King Pizza Records)

live: 22. Februar, Ziegrastraße 11, Berlin, 25. Februar, Zakk, Bremen; 29. Februar, Dreikönigskeller, Frankfurt am Main

Die üben eine riesige Anziehungskraft auf uns aus – nicht nur ihrer Musik wegen, sondern auch wegen ihrer komplizierten persönlichen Beziehungen untereinander.“

Womit man beim Dreh- und Angelpunkt des New Yorker Punkrockduos True Dreams gelandet ist: Freundschaft in alle ihren Facetten. Ohne Freundschaft, betonen beide Künstlerinnen, sei True Dreams nicht denkbar. Weshalb sie sich auf der Bühne wie auf der nun beginnenden Europatournee zwar manchmal von Bands oder einzelnen Musiker:innen unterstützen lassen, aber grundsätzlich doch lieber weiterhin zu zweit spielen und aufnehmen.

So kapern True Dreams das sonst ja tatsächlich überwiegend männlich besetzte Sujet der Freund- und Kameradschaft als Songthema und bringen es auf ein ultrakurzweiliges Punkrock-Mitsinghymnen; auch in ihren Videos kann man sich von deren Qualitäten überzeugen. Auf der Bühne kommen True Dreams wie dicke Buddies rüber.

Beide erzählen offenherzig und nicht ohne Stolz von ihren sogenannten Brotjobs – Carlucci ist ausgebildete Pâtissière und Chefbäckerin in einer Brooklyner Bäckerei, Nichols wiederum hat sich als ausgebildete Haarstylistin inzwischen auf den Herrenschnitt spezialisiert. Schlagzeug zu spielen begann sie erst 2014, wie sie erzählt; ein Jahr später stand Hannah Nichols dann mit der Band American Anymen auf der Bühne.

Angela Carlucci spielte seit ihrem Umzug nach New York in den frühen Nullerjahren in diversen Bands, davon zehn Jahre mit The Baby Skins und immer wieder als Backgroundsängerin der französisch-schwedisch-amerikanischen Band Herman Dune.

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Wer nun eine Verbindung zum beliebten Subgenre Antifolk vermutet, liegt goldrichtig – beide Musikerinnen schätzen die Musik ihrer Kolleginnen und Kollegen, Carlucci ist nebenbei die jüngere Schwester des New Yorker Songwriters Toby Good­shank. Bedenken, ob man das überhaupt erwähnen sollte, wo doch der Platz begrenzt ist und sie somit als „Schwester von...“ festgelegt werden könnte, wischt sie mit einer der ausführlichsten geschwisterlichen Liebeserklärungen ever fort, die in der Aussage gipfelt: „Wenn ich sein könnte wie er, würd ich’s jederzeit tun!“ Bandkollegin Nichols schließt sich dem Lob und den Komplimenten an.

Furchtlos-offenherzig gegenüber den eigenen Empfindungen, das scheint ein bisschen das Prinzip, mit dem Nichols und Carlucci ihre eigene Band angehen. Auf ihrem Debütalbum finden sich Songtexte, in denen in einem Moment die kalifornische Slackerband Pave­ment gewürdigt wird und im nächsten vom Mangel an weiblichen Role Models in der Musik die Rede ist, die in der schlichten Feststellung mündet: „There aren’t enough female artists.“

Falls also noch jemand auf der Suche nach solchen sein sollte: True Dreams sind ein undogmatisches „Feminist Punk“-Duo und nebenbei der lebende Beweis, dass es auch jenseits der Zwanziger herum nicht zu spät ist, eine eigene Band zu gründen und die Welt zu rocken.

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