Punk und Pauli-Aktivist über neue Show: „Reflexion und Schenkelklopfen“
Mit Absicht keine Nostalgieveranstaltung: Punksänger, Hafenstraßen- und FC-St.-Pauli-Aktivist Dirk „Diggen“ Jora redet an drei Abenden über früher.
taz: Dirk Jora, warum ein Live-Podcast?
Dirk Jora: Also, die Idee entstand daraus, dass ich meine Lebensgeschichte erzählt habe, und wir die in sieben Kapiteln bei Youtube veröffentlicht haben. Und selbst überrascht waren, wie gut das angekommen ist. Es gibt immer noch einen richtigen Podcast-Boom, ich denke da an Jan Böhmermann und Olli Schulz.
Auf Youtube, das war vor allem gesprochenes Wort, auch von vorab interviewten Weggefährten. Was passiert nun auf der Bühne?
Mir war schnell klar, dass ich eine Moderation möchte. Das also nicht selbst machen möchte, sondern freier sein in meinen Äußerungen. Und es gibt auch Einspieler, Fotos und Videos, auch dafür braucht es Moderation: um da Struktur reinzubringen. Olli Schulz, der den dritten Abend moderiert, hat das etwa schon mit Bela B gemacht. Er spricht von seiner Moderation als einer Mischung aus Chaos und Struktur – und genau das will ich.
Es gibt also Gastgeber Diggen, wechselnde Moderator:innen – und Gäste.
Jeder Abend hat ein Thema, zum Auftakt: „Wie drehe ich einen Fußballverein auf links?“ Also die Geschichte des FC St. Pauli seit 1985. Zu Gast ist Sven Brux, seit Jahrzehnten aktiver Fan, auch mal Fanbeauftragter des Vereins und seit 25 Jahren Leiter Spieltagsorganisation und Fanangelegenheiten. Dahinter steht, dass es Jüngere gibt, auch Auswärtsfans, die denken, das war immer schon so, 30.000 Antifaschisten im neuen Stadion. Das war aber überhaupt nicht immer schon so. Das ging einher mit der Besetzung der Hafenstraße: Letztendlich haben wir Häuser besetzt – und dann den Fußballverein.
Jahrgang 1960, studierter Soziologe, war Anti-AKW-, Hafenstraßen- und FC-St.Pauli-Aktivist sowie von 1979 bis 2020 Sänger der (währenddessen wiederholt aufgelösten und wieder gegründeten) Band Slime.
Welche sind die anderen Themen?
In der zweiten Show, im Februar, geht es um die Parallelen von Punk- und Hip-Hop-Szene. Darüber spreche ich mit Swiss und Jan Delay, moderieren wird Thees Uhlmann. Der dritte Abend handelt dann im April von Punk in Hamburg und darüber hinaus, Gäste sind dann Klaus Maeck, unter anderem betriber des legendären Plattenladens „RipOff“ und Eugen Honold, Herausgeber des Punkfanzines Pretty Vacant sowie Mitbetreiber des legendären Hamburger Punk-Schuppens „Krawall 2000“.
Könnte so etwas nicht schnell sehr, na ja, nostalgisch geraten?
Uns geht es darum, Authentizität auf die Bühne zu bringen, auch die alten Zeiten aufleben zu lassen – ich möchte aber auch keine Kritik aussparen. Es gab ja zum Beispiel in der Punkszene nur ganz wenige Frauen: nicht in Bands, auch nicht vorne auf den Konzerten. Weil das ja eine mindestens latent aggressive Angelegenheit war, Pogo, Schlägereien. Und Alkohol war ein viel zu großes Thema. In der Reflexion Kritik nicht aussparen: Das ist mein Ansatz.
Also Dinge in den Blick nehmen, die man damals vielleicht noch nicht so hat sehen können?
Zu gucken: Welche Entwicklung hat stattgefunden in der St.-Pauli-Fanszene, in der linken Szene, in der Punkszene. Ist noch was übrig? Was ist noch übrig? Also durchaus Schenkelklopfer-Geschichten – aber mit kritischer Reflexion.
Wird das Frontalbespaßung, oder soll es auch Interaktion mit dem Publikum geben?
Live-Podcast „Wie drehe ich einen Fußballverein auf links? Die Geschichte des FC St. Pauli seit 1985“ mit Sven Brux, Moderation: Lars Ide: Mo, 22. 1., 19.30 Uhr, Hamburg, Schmidt-Theater
Weitere Termine:
26.2.: „Punk meets HipHop“
22.4.: „Alle gegen Alle. Die Geschichte der Deutschen und Hamburger Punkszene (und der Band Slime)“
Zunächst wollten wir, dass es am Ende ein offenes Mikro gibt. Das haben wir aber, aus logistischen Gründen, umgedreht in folgende Sache: Beim Reinkommen gibt es einen Kasten, in den Fragen geworfen werden können. Und im zweiten Teil der Show … wir sind ja Fußballfans, also: in der zweiten Halbzeit, können die dann auf der Bühne gestellt und beantwortet werden.
Und wer es jetzt nicht selbst in den Saal schafft, kann der das dann nachher dann auch noch zu sehen bekommen?
Ja, wir filmen mit. Wo es dann am Ende zu sehen sein wird, müssen wir gucken. Bei YouTube, ich glaube, da muss man nicht BWL studiert haben, um das zu verstehen, kriegst du nicht viel Geld. Wir werden versuchen, es irgendwie an ein öffentlich-rechtliches Programm oder eine Mediathek oder so zu verkaufen. Sodass wir ein bisschen Geld kriegen, es aber trotzdem for free kuckbar bleibt.
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