: Psychoterror vor Gericht
Mobbing-Experte Fleissner vor Gericht: Ein Zöllner erinnert sich auf einmal doch nicht mehr so genau. Denn seine Aussage stößt auf vehementen Widerspruch
Ist es ein gutes Angebot, eine Geldstrafe zu akzeptieren, um ein Prozessrisiko loszuwerden? Nicht für Mobbing-Experte Alfred Fleissner, der sich wegen Beleidigung vor dem Amtsgericht verantworten muss (taz berichtete). Weil er sich keiner Schuld bewusst ist, lehnte er das Ansinnen der Staatsanwältin ab. Beim gestrigen zweiten Verhandlungstag legte sie nach: Das Verfahren werde eingestellt, wenn Fleissner sich dafür entschuldigt, dass er in einem Telefongespräch mit einem Personalsachbearbeiter dessen Chef einen „obersten Psychoterroristen“ genannt habe.
„Ich kann mich nicht für etwas entschuldigen, das ich nicht gesagt habe“, sagt Fleissner und lehnt ab. „Ich habe das so nicht gesagt, wenn es aber so angekommen ist, tut mir das leid“, relativiert er, aber das reicht der beleidigten Oberfinanzdirektion nicht. Und so verhandelt das Gericht weiter, obwohl selbst der Richter den Fall als „Firlefanz“ empfindet.
Fleissner betreut eine Zöllnerin, die krank gemobbt wurde. Als sie in den Urlaub fahren will, reicht sie einen Urlaubsantrag ein und kommt am kommenden Montag – ohne auf die Genehmigung zu warten – nicht zum Dienst. Darauf ruft der zuständige Personalsachbearbeiter bei ihrem Arzt an und fragt, ob ihre Krankschreibung verlängert worden sei. Die Sprechstundenhilfe verweist auf die Schweigepflicht. Vor Gericht sagte sie gestern: Der Beamte sei „sehr forsch“ gewesen, habe erst auf Nachfrage Namen und Funktion genannt und nach dem Verweis auf die Schweigepflicht insistiert, „dann müsste man wohl mal mit der Polizei bei der Frau vorbeifahren und die Tür aufbrechen“. Die Frau fand das so „unverschämt“, dass sie gleich eine Aktennotiz gemacht hat.
Mit dieser Aussage konfrontiert, ist der betreffende Beamte schon weniger forsch: Während er in der vergangenen Sitzung behauptet hatte, „definitiv nichts“ von Polizei und Türaufbrechen gesagt zu haben, gibt er nun zu, schon häufiger bei Ärzten angerufen zu haben, wenn Kollegen nicht zum Dienst erschienen waren. Er könne nicht ausschließen, dabei etwas von Türaufbrechen gesagt zu haben. Die Kollegin hätte sich ja umgebracht haben können. Woher der Sinneswandel? „Ich habe nach der letzten Sitzung noch mehr versucht, mich zu erinnern.“
SANDRA WILSDORF
FORTSETZUNG AM 3. SEPTEMBER
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