Psychologin über Islamophobie: "Da sind derzeit alle Schleusen offen"

Bezüglich Muslimen haben sich die Normen für Toleranz in Deutschland noch nicht weit entwickelt, sagt Psychologin Küpper. Mangelndes Wissen könne zu Fremdenfeindlichkeit führen.

Rechtspopulisten der Pro-Köln-Bewegung demonstrieren 2007 gegen den Bau einer Moschee in der Rheinmetropole. Bild: dpa

taz: Frau Küpper, warum haben so viele Menschen Angst vor "Muslimen"?

Beate Küpper: Menschen haben oft Angst vor dem, was sie nicht kennen. In vielen ländlichen Regionen in Deutschland gibt es so gut wie keine Muslime. Aber gerade dort ist die Angst vor ihnen am größten. Das vermeintliche Wissen über diese Gruppe basiert dann allein auf Stereotypen.

Aber das kann doch nicht alles sein.

Beate Küpper, 42, leitet das interdisziplinäre Forschungsprojekt "Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in Deutschland" an der Universität Bielefeld.

Es ist ein Dreiklang. Erstens: Wenn Faktenwissen fehlt, dann kann das zu Fremdenfeindlichkeit führen. Zweitens: Ganz grundsätzlich sichert die Abwertung anderer auch stets die eigene soziale Position. Dazu kommt drittens: Wenn es um Muslime geht, haben sich soziale Normen für Toleranz und gegen Feindseligkeit in Deutschland noch nicht sehr weit entwickelt.

Was heißt das?

Über Muslime kann heute ohne größere Hemmungen gesagt werden, was zum Beispiel über "die Juden" so nicht mehr gesagt werden könnte. Wenngleich auch das immer wieder von einzelnen Akteuren versucht wird und Antisemitismus in Deutschland nach wie vor erschreckend verbreitet ist.

Sie setzen die Situation der Muslime heute mit der Situation der Juden früher gleich?

Natürlich nicht. Aber wir stellen fest, dass die zu Grunde liegenden Ablehnungsstrukturen gegenüber Juden, Homosexuellen oder Frauen relativ ähnlich sind und sich immer wieder reproduzieren. In puncto Rassismus und Antisemitismus sind die Menschen heute sensibler geworden als noch vor wenigen Jahrzehnten. Es ist zum Beispiel eine starke soziale Norm, jemanden nicht nach seiner Hautfarbe zu beurteilen. Wenn es um Stereotype gegenüber Muslimen geht, ist das anders. Da sind derzeit alle Schleusen offen.

Sie sagen: Egal wer der Feind ist - Hauptsache, es gibt einen?

Zumindest ist die Konstruktion dieser Abgrenzungsfunktion ein einfacher Mechanismus, der leider immer wieder funktioniert und auch politisch genutzt wird. Es gibt in der Gesellschaft eine ganze Menge von Minderheiten, die dazu funktionalisiert werden können. Die werden dann bei Bedarf aktiviert. Das muss man natürlich kritisch reflektieren.

Dann reflektieren Sie doch mal kritisch.

Eines fällt ja in der aktuellen Islamdebatte durchaus auf: Gerade erst haben wir eine Wirtschaftskrise hinter uns, die die Gesellschaft auf eine harte Probe gestellt hat, und schon folgt eine Debatte über Muslime. Unsere Studien zeigen, dass sich viele Menschen durch die Krise betroffen und bedroht fühlen. Das hätte dazu führen können, dass die Frage nach der Verantwortung der Eliten gestellt wird. Was macht zu dieser Zeit ein Vorstand der Bundesbank? Er schreibt nicht über Banken und Bänker, sondern präsentiert einen "äußeren Feind", gegen den die Abgrenzungsbereitschaft auch vorher schon hoch war. In diesem Zusammenhang wird sehr deutlich: Die populistische Projektion von "Muslimen" wird hier instrumentalisiert.

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