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Prozessauftakt gegen WaffenbauerHeckler & Koch unter Beschuss

Zwei Exmitarbeiter des Waffenbauers klagen gegen ihren Rauswurf: Sie sollen illegal Waffen nach Mexiko verkauft haben.

Heckler & Koch liefert Gewehre an die Bundeswehr – und möglicherweise auch illegal nach Mexiko. Bild: dpa

BERLIN taz | Hat die Geschäftsführung des Rüstungsunternehmens Heckler & Koch (H & K) wissentlich illegal Gewehre nach Mexiko exportiert? Über diese Frage soll ein Prozess Auskunft geben, der heute vor dem Arbeitsgericht im baden-württembergischen Villingen-Schwenningen stattfindet. Dort begegnen sich Vertreter der Schwarzwälder Waffenschmiede und zwei ehemalige Mitarbeiter, die im April fristlos entlassen wurden. Die beiden klagen gegen ihre Kündigung.

Die Betriebsleitung wirft Marianne B. und Axel H. vor, für die widerrechtliche Lieferung von Sturmgewehren vom Typ G36 verantwortlich zu sein. Rüstungskritiker der „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“ vermuten jedoch, dass die Gekündigten nur ein Bauernopfer der Geschäftsführung sind, um ihre eigene Verantwortung für den rechtswidrigen Mexiko-Deal zu vertuschen.

Seit April 2010 ermittelt die Stuttgarter Staatsanwaltschaft gegen H & K wegen des Verdachts auf Verstoß gegen das Außenwirtschafts- sowie das Kriegswaffenkontrollgesetz. Das Unternehmen soll Gewehre in mexikanische Bundesstaaten geliefert haben, die wegen der schlechten Menschenrechtslage explizit von der Exportgenehmigung ausgeschlossen waren.

Lange Zeit verwahrten sich die Waffenbauer gegen den Vorwurf – trotz kritischer Medienberichte: Das ARD-Magazin „Report Mainz“ präsentierte Aufnahmen von Polizisten mit den G36 im Bundesstaat Chihuahua. Die taz veröffentlichte Zahlen des mexikanischen Verteidigungsministeriums, nach denen etwa die Hälfte der Gewehre in diese Gebiete geschickt wurden.

Zudem verfügt der Friedensaktivist Jürgen Grässlin, der die Anzeige gegen H & K gestellt hat, über einen Kronzeugen: Ein H & K-Angestellter, der in Mexiko Polizisten ausgebildet hatte und später aus dem Unternehmen ausgestiegen war, informierte Grässlin über die widerrechtlichen Lieferungen.

„Heckler & Koch hält sich an Recht und Gesetz“

Dennoch reagierte das Schwarzwälder Unternehmen auf Anfragen regelmäßig mit einer Standardantwort: „Heckler & Koch hält sich an Recht und Gesetz.“ Bis die Geschäftsführung dann am 24. April dieses Jahres in einem Aushang am Schwarzen Brett der Firma die Beschäftigten darüber informierte, dass sie eine interne Sonderuntersuchung eingeleitet habe.

Man sei dabei zu dem Schluss gekommen, dass der „dringende Tatverdacht gegen zwei langjährige Mitarbeiter“ bestehe, „Waffenlieferungen in nicht genehmigungsfähige mexikanische Bundesstaaten im Zusammenwirken mit einem Handelsvertreter veranlasst zu haben“. Die Geschäftsführung habe die beiden mit sofortiger Wirkung freigestellt.

Ob die Gekündigten, wie es in der Mitteilung hieß, „eigenmächtig, ohne Wissen und Wollen anderer Personen im Unternehmen“ gehandelt haben, bezweifelt Grässlins Rechtsanwalt Holger Rothbauer: „Die Mitarbeiter mussten die Reisekosten und die Hotelrechnungen von einem Mitglied der Geschäftsführung unterzeichnen lassen.“ Auch die Strafverfolger wollen der Argumentation von H & K nicht folgen. „Wir ermitteln weiterhin gegen zwei plus x Personen“, erklärt die Staatsanwältin Claudia Krauth.

Axel H. drohen bis zu zwei Jahre Haft

Für Grässlin steht außer Frage, wer mit „x Personen“ gemeint ist. Sowohl der ehemalige Rottweiler Landgerichtspräsident Peter Beyerle, der zu den Waffenbauern wechselte und dort für die Exportgenehmigungen zuständig war, als auch der H & K-Hauptgesellschafter Andreas Heeschen müssten zur Verantwortung gezogen werden. Sollte Axel H., der zuletzt bei H & K Vertriebsbereichsleiter war, für den Deal verantwortlich gemacht werden, drohen ihm mindestens zwei Jahre Haft.

Sollte sich allerdings bestätigen, dass die Geschäftsführung über den Deal Bescheid wusste, dürften nicht nur die Kündigungen hinfällig sein. Spätestens dann ist es an der Zeit, dass die Stuttgarter Staatsanwaltschaft die Anklage gegen die Heckler-&-Koch-Verantwortlichen eröffnet.

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14 Kommentare

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  • S
    siegfried

    @ Rainer B.

    Und was machen wir, wenn das Know-how abwandert und wir dann auf Waffenlieferungen aus dem Ausland angewiesen sind, um uns zu verteidigen. Aber in den anderen Ländern ein Westerwelle

    Außenminister ist und de facto nur den Islamisten und den Staatstyrannen der Zugang zu Waffen gegeben ist???

    Westerwelle hätte die Brisanz sofort erkennen müssen und wenn schon keine Waffen geliefert werden sollten, sollte auch keine Anstachelung der Bewegung erfolgen!

    Eine Lynchmob ähnlicher Proteststil ist nirgendwo gutzuheißen!!!! Auch nicht in

    der Ukraine!!!

    Assads Familie und Geldvermögen und etliche Posten als internationaler Sekretär einer Hilfsorganisation, Krankenhausvorstand uvm., Tagungen, Kongresse -internationales Renommee hätten ihm Schamgefühl und Demut beigebracht. Eine friedliche Transformation des Rechtes hin zur präsentativen Monarchie in Anlehnung an Großbritannien wäre eine würdeartige Wende gewesen.

    Friedensangebote vor der Eskalation sind von der Opposition anzunehmen und nicht mit Verachtung und Gewalt zu beantworten!!! Auch das hätte Westerwelle kommunizieren müssen!

    Was machen wir, wenn das Ausland ähnlich stümperhaft agiert in einer für uns bedrohlichen Lage und wir nichts zur Verteidigung haben?? Ich möchte das nicht!

    Nicht die Firmen sollen bestraft werden, sondern nur die Verantwortlichen! Mutwillige korrupte Firmenzerstörer gibt es genug, die schreckt auch eine kleine Haftstrafe nicht.

    • @siegfried:

      Heckler&Koch produziert doch nicht Kleinwaffen, damit wir uns im Verteidigungsfall besser wehren können. Das sind im wesentlichen Exportartikel, die gesetzlichen Waffenexportbestimmungen unterliegen. Wenn sich die Firma nicht an geltende Gesetze hält, muss das auch Konsequenzen haben, sonst können wir gleich auf Gesetze verzichten. Die Umgehung der Waffenkontrollgesetze ist in vielen Bereichen gängige Praxis geworden - gerade weil die Konsequenzen bislang ausblieben. Das muss anders werden!

  • Wenn tatsächlich zwei Mitarbeiter von Heckler&Koch diesen Mexiko-Deal allein eingefädelt haben sollten, dann sind doch größte Zweifel an der internen Kontrolle des Waffenproduzenten insgesamt geboten. Man sollte solche Läden durchaus mal dicht machen wegen Unzuverlässigkeit. Alles andere ist doch nur Show und ändert nix.

  • ...deutsche Waffen, deutsches Geld,

    morden mit in aller Welt...,

     

    G 36, AK 47,

     

    free gaza, free kurdistan, free Cuba

    Freiheit für uns...,

    • E
      Eisen
      @tomas:

      AK47 ist aus russischer Produktion...

    • D
      Desillusionist
      @tomas:

      "(...) deutsche Waffen, deutsches Geld, morden mit in aller Welt (...)"

       

      Vorbildlich! Aber gestatten Sie mir dennoch eine kleine Korrektur: das AK 47 stammt nicht aus Deutschland. Nein, es wird leider trotzdem auch von bösen Menschen zum Töten verwendet. Wirklich! Ich hoffe, Ihr Weltbild gerät dadurch nicht zusehr ins Wanken.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Ehemaliger Landgerichtspräsident wechselt zur Rüstungsindustrie und betätigt sich als Waffenschieber. Das sagt doch echt viel über den Charakter der deutschen Justiz aus.

     

    Ich verstehe nicht, daß man nach Mexiko Waffen in einzelne Bundesstaaten verkaufen kann. Einkäufer ist dort - wie überall - das Verteidigungsministerium, das auch für die Verteilung der Waffen verantwortlich ist. Wenn einzelne Bundesstaaten keine Waffen kriegen dürfen, darf das auch ganz Mexiko nicht.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Das mit dem Verteidigungsministerium - weisst du das oder schreibst es halt mal so? Ist die mexikanische Polizei dem Militär unterstellt? Wenn in Hessen die Polizei Autos kauft ist das jedenfalls nicht Bunderssache.

      • 7G
        774 (Profil gelöscht)
        @Rider:

        Ja, die Polizei darf natürlich Kriegswaffen kaufen. Logo! Wie konnte ich das nur vergessen?

        • D
          Desillusionist
          @774 (Profil gelöscht):

          Sorry, aber es ist in vielen Ländern der Welt wirklich so, daß, zumindest was Schusswaffen betrifft, die Polizei teilweise die gleichen Waffen verwenden darf und verwendet wie das Militär. Es hängt ganz einfach von den rechtlichen Bestimmungen der Länder ab.

          • 7G
            774 (Profil gelöscht)
            @Desillusionist:

            Da haben die zwei Ex-Angestellten von HK wohl Pech gehabt, daß sie sich vor lauter rechtlichen Bestimmungen nicht mehr ausgekannt haben. Die gibt es doch offenkundig nur deswegen, um das Kriegswaffenkontrollgesetz auszuhebeln.

  • G
    Gastname

    Lächerlicher geht es kaum noch. Was der bekennende Lobbyist Grässlin meint, ist erstens vorab klar und zweitens völlige Nebensache.

     

    Fakt ist, zwei Mitarbeiter von H&K werden gefeuert, weil diese ohne eine Exportlizenz für den Staat Mexiko Exorte durchgewunken haben.

    Nebenbei: Mexiko ist ein demokratischer Staat und steht nicht auf einer schwarzen Liste. Mexiko darf lediglich nicht ohne Exportlizenz beliefert werden!

  • G
    gAST

    Interessant, aber schade auch, dass dies vermutlich nie ernstliche Konsequenzen haben wird.

  • G
    gast

    Sehe ich auch so das die Gekündigten die "Bauernopfer" sind.

     

    Was immer bislang veröffentlicht wurde wie Kinderarbeit, Kindersoldaten, Plünderung der Wälder und Erdschätue weltweit, alle hielten sich angeblich an die Vorschriften, bis das Gegenteil bewiesen wurde.

     

    Der Grund all dessen ist die Geldgier