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Prozess um rechte Gewalt gegen Dilan S.Zeu­g*in­nen bestätigen rassistischen Angriff

Augenzeu­g*in­nen sagten aus, dass es sich um rassistische Gewalt gegen die damals 17-Jährige handelte. Ein Urteil soll Ende April fallen.

Dilan S. sprach nach der rechten Attacke auf einer antirassistischen Demo Foto: Annette Riedl/dpa

Berlin taz | Zwei der sechs angeklagten Männer und Frauen zwischen 24 und 55 Jahren sind gar nicht erst erschienen. Sie schwänzten am Montag ihren eigenen Prozess am Amtsgericht Tiergarten. Zwei weitere kamen verspätet. Allzu große Bedeutung rechnen sie ihrer Anklage offenbar nicht zu. Verhandeln ließ die Richterin dennoch – nur halt ohne sie. Angeklagt sind die 6 Personen mit Bezügen zur rechtsoffenen Kneipenszene um BFC Dynamo-Hooligans wegen Beleidigung, Bedrohung, gefährlicher Körperverletzung oder zumindest Beihilfe dazu.

Der Fall hatte bundesweite Aufmerksamkeit auf sich gezogen, auch weil die Polizei zunächst geschrieben hatte, eine 17-Jährige sei an einer Tram-Haltestelle angegriffen worden, weil sie keine Maske getragen habe. Das Opfer, Dilan S., korrigierte das per Instagram-Video aus dem Krankenhaus, indem sie die rassistische Motivation und den Hergang der Attacke schilderte. Im Prozess ist sie Nebenklägerin.

Obwohl physisch abwesend, standen insbesondere Heiko S. und Jennifer G. am zweiten Verhandlungstag häufiger im Mittelpunkt, als mehrere Zeu­g*in­nen die Geschehnisse vom Abend des 5. Februar 2022 aus ihrer Sicht schilderten. Vor allem Heiko S., einen fast 2 Meter großen und übergewichtigen Mann mit Glatze, hatten mehrere Zeugen als aggressiv und furchteinflößend in Erinnerung. Ebenso bestätigten mehrere Augenzeugen Tritte und rassistische Beleidigunge.

Widersprüchlich blieb teilweise, wer genau aus der Gruppe zugetreten habe: ob nun die abwesende Jennifer G. oder Cornelia R, die selbst bereits eingeräumt hatte, S. an den Haaren gerissen zu haben. Unstrittig dürfte allerdings sein, dass die alkoholisierte Gruppe aggressiv gewesen ist und die Jugendliche ihr allein gegenüberstand – obwohl sich an der Haltestelle viele Menschen aufhielten.

Keine Hilfe von Pas­san­t*in­nen

Eine Zeugin berichtete zwar, dass S. ihrerseits durchaus streitlustig und laut gewesen sei. Aber andere Zeugen hatten das Gegenteil wahrgenommen und beschrieben, die Aggression sei eindeutig von der Gruppe ausgegangen. Dilan S. sei nicht streitlustig gewesen, sondern habe sich lediglich mit Worten verteidigt und um Hilfe gerufen. Sie bestätigten damit größtenteils die Schilderungen von Dilan S. und widersprachen den Darstellungen der Angeklagten, die sich als Opfer der 17-Jährigen inszeniert hatten.

Dazwischengegangen bei den Angriffen ist nach übereinstimmenden Aussagen niemand, wie unter anderem ein gehbehinderter Zeuge sagte, der an der Haltestelle gesessen hatte. Eine andere Frau sprach davon, dass sie vom gegenüberliegenden Bahnsteig verbal eingeschritten sei, aber nicht aktiv eingegriffen habe – aus Angst, sich selbst in Gefahr zu bringen.

Plädoyers sollten bei einem Fortsetzungstermin am Donnerstag erfolgen, ein Urteil möglicherweise eine Woche später.

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1 Kommentar

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  • Ich finde es bemerkenswert und erfreulich, dass sich da Zeugen nicht weggeduckt haben, denen man ja theoretisch unterlassene Hilfeleistung unterstellen könnte.



    Ich hätte wahrscheinlich auch nicht eingegriffen, aus der gleichen Sorge.

    Interessant auch, dass die Polizei ein falschen Tatmotiv in den Umlauf gebracht hat, wie zu erwarten dürfte das keinerlei Konsequenzen haben. Wobei das für mich eine Täuschung der Öffentlichkeit darstellt: Ich kann keine Maske tragen, das war mitunter beschwerlich, und als diese Meldung seinerzeit verbreitet wurde, wurde meine Sorge größer, zumal das ja auch Trittbrettfahrer motivieren könnte.

    Die Argumentation der Gruppe, sie sei bedroht worden, ist rein vom Zahlenverhältnis her geradezu grotesk.