Prozess um Thomas Middelhoff: Kumpels vor Gericht
Früher waren der ehemalige Arcandor-Chef Middelhoff und Berater Berger Freunde. Jetzt verklagen sich die früheren Geschäftspartner gegenseitig.
HAMM taz | Thomas Middelhoff kommt eine Viertelstunde zu früh, als könne er den Verhandlungstag nicht erwarten. Dabei ist er mit seinen Anwälten sogar schon in einer anderen Etage im Landgericht Essen gewesen. „Wir waren zuerst bei Mord und Totschlag“, ruft der ehemalige Arcandor-Chef – in seinem Stammsaal findet ein anderes Verfahren statt. In Middelhoffs Prozess dreht es sich dagegen undramatisch um eine zerbrechende Männerfreundschaft. Als Zeuge geladen ist sein ehemaliger Geschäftspartner, der Berater Roland Berger. Nicht vor diesem, aber vor anderen Richtern streiten die beiden um Millionen.
Seit Mai steht Middelhoff an zwei bis drei Tagen in der Woche in Essen wegen Untreue vor Gericht. Er soll in 48 Fällen private oder Charterflüge auf Kosten seines ehemaligen Arbeitgebers Arcandor abgerechnet haben. Dabei geht es um rund 945.000 Euro, für weitere 180.000 Euro soll Middelhoff auf Kosten des Konzerns eine Festschrift für den Manager Mark Wössner in Auftrag gegeben haben.
Middelhoff wurde als dessen Nachfolger bei Bertelsmann berühmt, seit seiner Zeit als Karstadt-Chef ist er wegen seines fragwürdigen Sanierungskurses berüchtigt. Ende Februar 2009 verließ er den von ihm in Arcandor unbenannten Konzern, der wenig später in die Insolvenz ging.
Zu dieser Zeit waren Roland Berger und Middelhoff Geschäftspartner. Vor dem Essener Gericht geht es um einen Termin der beiden im Januar 2009 in Berlin, zu dem Middelhoff auf Arcandor-Kosten mit dem Charterjet für fast 18.000 Euro anreiste. Zeuge Berger soll dazu aussagen. Berger, 76 Jahre alt, erinnert sich nicht an viel, er spricht undeutlich. Erst Ende Juli hat er Middelhoff einen Offenbarungseid wegen offener Schulden abgeben lassen, der Manager sprang auf der Flucht vor Fotografen durch ein Fenster des Landgerichts.
Keine Details in Erinnerung
Vor Gericht kommt kein böses Wort zu Middelhoff über Bergers Lippen. Fragen des Richters zu dem Termin im Januar 2009 beantwortet er ungenau. An Details kann er sich nicht erinnern. „Dass das Gespräch stattgefunden hat, sehe ich nur aus dem Terminkalender“, sagt er. Auf Nachfrage des Richters bestätigt Berger, dass er Forderungen an den Manager aus einem gemeinsamen Projekt hat. Genau ein Drittel von 20 Millionen Euro plus Zinsen, sagt er. Ob davon etwa beglichen worden sei, will der Richter wissen. „Leider nicht“, sagt Berger.
Middelhoff hört interessiert zu. Er sucht Blickkontakt. Einmal gelingt es ihm, er freut sich offensichtlich. Strippenzieher Berger ist noch immer bestens politisch vernetzt und gut im Geschäft. Middelhoff gilt heute als gestrandet. Allein das Bankhaus Oppenheim verlangt 70 Millionen Euro von ihm. Der Vermögensverwalter Josef Esch fordert 2,5 Millionen Euro.
Bevor Berger geht, nicken er und Middelhoff sich zu. Erst als der Berater weg ist, ergreift Middelhoff das Wort. „Mein ganzes Geld liegt blockiert bei Oppenheim“, erklärt er, warum er Berger das geforderte Geld nicht gibt. Weil die Bank Forderungen an Middelhoff hat, hat sie seine Konten eingefroren. Er habe Berger gebeten, im Streit mit der Bank eine Moderatorenrolle einzunehmen. Doch aus der Vermittlung ist nichts geworden.
Es sei keineswegs so, dass Bergers Ansprüche durchweg berechtigt seien, betont Middelhoffs Anwalt Winfried Holtermüller. Denn Berger habe sich als Geschäftsführer der gemeinsamen Firma „eklatant pflichtwidrig verhalten“ und dem gemeinsamen Projekt einen massiven Schaden zugefügt. Der soll mit der Forderung von Berger verrechnet werden.
„Ich habe nichts empfunden“, sagt Middelhoff hinterher über seiner Begegnung mit Berger. Im Januar habe er ihn zuletzt bei einem Geschäftstermin in München gesehen. Früher galt Berger als Middelhoffs väterlicher Freund. Die Vergangenheitsform sei falsch, sagt Middelhoff. Dass die Freundschaft zerbrochen ist, schreibe die Presse.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!