Prozess um Bataclan-Anschläge in Paris: Hauptangeklagter sagt aus

Er fühle sich „verleumdet“, sagt der Hauptangeklagte im Prozess um Bataclan-Anschläge in Paris. Doch die Terrorgruppe IS unterstützt er weiter.

Der Hauptangeklagte Salah Abdeslam vor Gericht im November 2021 Illustration: Benoit Peyrucq/afp

PARIS taz | „Ich habe niemanden getötet oder verletzt, nicht einmal einen Kratzer habe ich zugefügt“, sagte Salah Abdeslam. Der Hauptangeklagte im Prozess um die Pariser Anschläge von 2015 ist nun am Mittwoch zum ersten Mal am Sonderschwurgericht für Terrorismus in Paris befragt worden. Er selber fühle sich „von Anfang an verleumdet“. Der Organisation IS sei er erst zwei Tage vor dem 13. November beigetreten, präzisiert er, ohne aber weitere Details zu verraten. Abdeslam deutete indes an, er werde sich später äußern zur Organisation und zum Ablauf der Attentate am 13. November 2015 in Paris.

Der 33-Jährige steht als Mittäter zusammen mit 15 der Beihilfe Beschuldigten vor Gericht. Damals hatten Extremisten bei mehreren Anschlägen unter anderem in der Konzerthalle Bataclan und auf Café-Terrassen 130 Menschen getötet und Hunderte verletzt.

Dass Abdeslam für sich keine persönliche Rolle bei den Massakern beansprucht, soll nicht etwas eine Form der Reue sein. Der Hauptangeklagte lässt keinen Zweifel aufkommen an seiner Unterstützung für die Terrororganisation „Islamischer Staat“ (IS) und an seiner Zustimmung zu deren mörderischen Anschlägen im Namen des Dschihad. Dieser Kampf sei „legitim“, weil er im Namen Allahs geschehe. Abdeslam wiederholt Sätze, die man aus der IS-Propaganda und aus Bekennerschreiben kennt.

Vom Richter zu den Gräueltaten wie Geiselnahmen und Enthauptungen durch IS befragt, scheint er keinerlei Skrupel oder Mitgefühl zu haben: „Die Gefangenen werden entweder im Austausch freigelassen oder zum Tode oder Sklaverei verurteilt. Die Sklaverei ist ein sozialer Status bei uns im Islam. Der Sklave muss respektiert werden. Wer ihn ohrfeigt, muss ihn freilassen“, behauptet er. Dass der Gerichtspräsident ihm entgegenhält, dass alle demokratischen Staaten die Sklaverei abgeschafft haben und dass bei Weitem nicht alle Muslime seine Ideen teilten, lässt Abdeslam ebenfalls kalt. In einem kuriosen Anflug von Toleranz meint er: „Jeder lebt seine Religion, wie er will.“

Dann kehrt er aber sofort in seine Rhetorik zurück. Er bezichtigt die internationale Koalition und namentlich Frankreich während der Präsidentschaft von François Hollande, mit Bombardierungen in Syrien für den Tod von Zivilisten verantwortlich zu sein. Das habe ihn damals „getroffen“. Er macht dann erstmals auch Angaben zur Mentorenrolle seines älteren Bruders Brahim, der sich am 13. November 2015 bei einer Selbstmordaktion in die Luft gesprengt hat. Dabei relativiert er seine eigene Bedeutung: Er habe erst wenige Tage zuvor erfahren, dass er eine „Mission“ hätte.

Abdeslam wiederholt Sätze, die man aus der IS-Propaganda kennt

Alle beim Prozess bewegt vor allem die bisher unbeantwortete Frage um einen Sprengstoffgürtel: Abdeslam soll in Paris einen solchen dabeigehabt, ihn aber nicht gezündet, sondern in einem Vorort weggeworfen haben. War es ursprünglich Abdeslams „Mission“, sich im 18. Arrondissement von Paris bei einem Selbstmordattentat in die Luft zu sprengen? Und hat er seinen Sprengstoffgürtel auf seiner Flucht weggeworfen, weil dieser laut den Experten nicht funktionieren konnte – oder war er schlicht davor zurückgeschreckt, eine Explosion auszulösen, die auch seinen Tod bedeutet hätte?

Er ist wegen der Organisation der Attentate angeklagt, weil er aus Syrien ausgereiste Mittäter transportiert und Material zur Herstellung von Sprengstoff beschafft hat. Anwälte der zivilen Nebenkläger und Prozessbeobachter hatten bisher den Eindruck, dass die Rolle des Hauptangeklagten eine Nummer zu groß sei für den heute 33-Jährigen, der im Brüsseler Vorort Molenbeek aufgewachsen ist.

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