piwik no script img

Prozess nach 1.Mai-Demo in BerlinProzess ohne Opfer

Wegen Körperverletzung steht eine Mai-Demonstrantin vor Gericht. Das Opfer, eine Polizistin, hat von dem angeblichen Angriff nichts bemerkt.

Festnahme bei der 1.Mai-Demo 2019 in Berlin Foto: dpa

Eine voll besetzte Polizeiwanne stand am Montagnachmittag vor dem Berliner Amtsgericht in der Kirchstraße 7 in Moabit. Auch im Gerichtsgebäude war das Sicherheitspersonal verstärkt worden.

Am Montagnachmittag hatte dort der erste Prozess im Zusammenhang mit der diesjährigen Revolutionären 1.Mai-Demonstration begonnen. Angeklagt ist Demo-Teilnehmerin Jenny, die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, der Vorwurf lautet schwere Körperverletzung. Jenny wird von der Staatsanwaltschaft beschuldigt, bei ihrer Festnahme mit der Holzlatte ihres Transparents zweimal auf eine Polizeibeamtin eingeschlagen oder eingestochen zu haben.

Das vermeintliche Opfer gab bei der Befragung allerdings an, von dem Stich oder Schlag nichts bemerkt, keinen Schmerz gespürt und auch nachträglich keine Verletzung festgestellt zu haben. Sie habe erst durch die Aussage ihrer Kollegin von der angeblichen Attacke erfahren.

Die Angeklagte bestritt den Vorwurf bei ihrer Befragung entschieden. Sie erklärte, dass sie auf der 1.Mai-Demonstration ein großes Plakat mit der Aufschrift „Gekommen um zu bleiben, Bucht für Alle“ getragen hat. Damit habe sie gegen die Ende April von der BVV Lichtenberg beschlossenen Sanierungspläne rund um die Rummelsburger Bucht protestieren wollen. Nach dem Abschluss der Demonstration, die durch Friedrichshain gezogen war, kam es am Abend in der Nähe des S-Bahnhofs Warschauer Straße zu kurzen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Weil die Hauptbelastungszeugin fehlte, wurde der Prozess vertagt

Die Beschuldigte schilderte, dass sie dort mehrere Festnahmen gesehen habe und auch Augenzeugin von Polizeigewalt geworden sei. Dagegen habe sie lautstark protestiert und sei von mehreren PolizistInnen zu Boden gerissen und festgenommen worden. Die Attacke sei so heftig gewesen, dass auch die Transparentstange, die sie in der Hand gehalten habe, zerbrochen sei. Einen gezielten Stoß auf Polizistin habe es von ihrer Seite nicht gegeben.

Weil die Hauptbelastungszeugin urlaubsbedingt fehlte, wurde der Prozess auf den 8. Januar vertagt. Rechtsanwalt Sven Richwin, der die Angeklagte vertritt, hofft auch, durch weitere Fotos und Videomaterial aufzuklären, was in den entscheidenden Minuten passiert ist. Schließlich droht seiner Mandantin noch immer die Verurteilung wegen einer Körperverletzung, die von dem angeblichen Opfer nicht einmal bemerkt worden war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • Die -immer ausschließlich Polizei-Zeugen sind bei ihren Aussagen vor Gericht dann /immer/ höchst vage können sich /nie/ an irgendetwas KIonkretes erinnern. (Typischerweise z.b nie an die Namen der Kollegen, mit denen sie im Einsatz waren)



    Interessanterweise werden die lügenden Polizeizeugen zwar als "Zeugen" in den Akten benannt, jedoch bis zur Hauptverhandlung typischerweise niemals wie jeder andere Zeuge behandelt.



    So werden ihre Angaben /niemals/ in formalen Zeugenbefragungen gemäß der StPo von unnabhängigen Beamten unter strafbewehrter Wahrheitspflicht eiinzeln festgehalten.



    Die Polizeizeugen schreiben vielmehr typischerweise selbstverfasste "zeugenschaftliche Berichte". Bei denen sie sich mit ihren Kollegen absprechen und diese an vorhandene objektive Beweise, wie Fotos oder Polizei-Videos "anpassen" können.

    Kommentar gekürzt. Bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    Die Moderation

    • @Wagenbär:

      "Bitte halten Sie sich an die Netiquette."



      ----------------------------------------------



      Liebe ModeratorInnen: Würden sie diese Bitte bitte an die berliner Polizei weiterreichen?

  • 9G
    99140 (Profil gelöscht)

    Business as usual bei der Polizei.



    Potenzielle Zeugen von Polizeigewalt werden unter Vorspiegelung von Straftaten gegen Beamte festgenommen und umgehend angezeigt.



    Bei Beistehenden soll diese Vergewaltigung von Gewaltmonopol und Rechtsstaat für Zurückhaltung sorgen, Straftaten durch Polizeibeamte anzuzeigen und bei den betroffenen, diffamierten, Zeugen soll zusätzlich die Glaubwürdigkeit bei Gericht untergraben werden.



    Die Polizei - dein Freund und Helfer.