piwik no script img

Prozess gegen linke BuchhändlerGrüner nimmt Buchläden in Schutz

Erstmals werden jetzt linke Buchhändler angeklagt wegen des Inhalts von Schriften, die sie verkaufen. Solche Prozesse gefährden die offene Diskussion, kritisiert der grüne Abgeordnete Dirk Behrendt.

Die juristischen Ermittlungen gegen linke Berliner Buchläden haben jetzt auch das Abgeordnetenhaus beschäftigt. Der rechtspolitische Sprecher der Grünen im Berliner Abgeordnetenhaus Dirk Behrendt wollte vom Senat Einzelheiten zu den Ermittlungsverfahren wissen. In der Antwort auf die Kleine Anfrage bestätigte Justizsenatorin Gisela von der Aue (SPD), dass seit dem 1. Januar vier Verfahren gegen BuchhändlerInnen erhoben worden sind - wegen des Vorwurfs des Verstoßes gegen Paragraf 130 a des Strafgesetzbuches, der die "Anleitung zu Straftaten" sanktioniert.

Gegenstand der Verfahren seien Druckerzeugnisse wie die autonomen Publikationen Interim und Prisma, die bei polizeilichen Durchsuchungen in den Buchläden beschlagnahmt worden seien. Dabei gehe es unter anderem um den Aufruf zu Straftaten gegen öffentliche Gelöbnisse der Bundeswehr, so die Senatorin.

Der erste Prozess beginnt diese Woche: Eine Mitarbeiterin des Buchladens Oh 21 bestätigte der taz, dass ihre Verhandlung am 8. Dezember um 11.30 Uhr am Berliner Amtsgericht eröffnet wird.

Für den rechtspolitischen Sprecher der Grünen ist dieses juristische Vorgehen gegen die Verkäufer umstrittener Schriften grundsätzlich kritikwürdig. Zwar sei gegen die Beschlagnahme von Schriften mit strafbarem Inhalt nichts zu sagen. "Etwas anderes ist allerdings die Strafverfolgung der Buchhändler. Werden diese in Zukunft verfolgt, müssten sie ihr gesamtes Sortiment kennen und strafrechtlich einschätzen, was kaum möglich ist", so Behrendt. Er befürchtet, dass viele die Hände von kritischen Texten lassen, denn die Einschätzung, ob etwas strafbar ist, könne ja durchaus differieren. "Durch dieses Verhalten wird womöglich auf den Vertrieb von bedenklichen Texten verzichtet, was eine offene Auseinandersetzung behindert", befürchtet er.

In einem Solidaritätsaufruf ruft die Kampagne "Unzensiert lesen" zu sofortiger Einstellung aller Verfahren gegen die BuchhändlerInnen mit einer ähnlichen Begründung auf. "Es geht um die Legitimität von Opposition. Darüber wird nicht in juristischen, sondern in politischen Auseinandersetzungen entschieden", heißt es in einem Aufruf, der online unter www.unzensiert-lesen.de unterzeichnet werden kann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

0 Kommentare

  • Noch keine Kommentare vorhanden.
    Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!