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Prozess gegen den MDRErfolg – bis auf Weiteres

In Erfurt wurde die Klage gegen eine Mafia-Doku zurückgewiesen. Das Urteil am Landgericht stärkt die Möglichkeit zur Verdachtsberichterstattung.

Wie italienische „Palmen“ in Erfurt gedeihen – das ist die Frage Foto: dpa

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Erfurt hat am vergangenen Freitag die Schadenersatzklage eines italienischen Gastronomen gegen den MDR zurückgewiesen. Anlass war der MDR-Film „Provinz der Bosse – Mafia in Mitteldeutschland“ von Axel Hemmerling, Ludwig Kendzia und Fabio Ghelli.

Der Film dokumentiert mutmaßliche Aktivitäten der aus der süditalienischen Region Kalabrien stammenden Mafia­organisation ’Ndrangheta in Erfurt. Speziell handelt er von Clans aus der Mafia-Hochburg San Luca/Locri, aus der sowohl Opfer als auch Täter des Mafia-Massakers von Duisburg im August 2007 stammten.

Der klagende Gastronom aus Erfurt sah sich trotz Anonymisierung in der Dokumentation mittelbar erkennbar und hatte den Sender und die Autoren auf 50.000 Euro verklagt. Das Gericht erkannte aber keinen schweren Eingriff in die Intimsphäre. Der Kläger sei nur für einen kleinen Personenkreis erkennbar gewesen und sein Name sei nicht genannt worden. Außerdem hätten die Filmemacher den Mann vor der Ausstrahlung um eine Stellungnahme gebeten. Diese Möglichkeit habe er nicht genutzt.

Zudem stärkte das Gericht das Recht auf die sogenannte Verdachtsberichterstattung. Die sei gesetzlich zulässig, es überwiege das Informationsinteresse der Öffentlichkeit.

Zehn Jahre Duisburg

Beim MDR hängen bleiben könnten allerdings Abmahngebühren gegen YouTube-Kanäle, die die erste, beanstandete Version des Filmes zeigten. Die MDR-Dokumentation war im November 2015 ausgestrahlt worden. Nach einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Dresden vom August 2016 darf der Film in der Ursprungsfassung nicht mehr gezeigt werden. Im November 2016 legten die Autoren eine Neufassung vor, die unbeanstandet blieb und über die ARD-Mediathek abgerufen werden kann.

Erfolg hatte der Gastronom auch mit einer Klage gegen die Journalistin und Mafia-Expertin Petra Reski. Durch einen am 17. März 2016 in der Wochenzeitung Der Freitag erschienenen Artikel, in dem er namentlich erwähnt wurde, sah er seine Persönlichkeitsrechte verletzt. Gegenstand von Reskis Artikel war die erwähnte Klage gegen den MDR. Freitag-Verleger Jakob Augstein allerdings ließ seine Autorin hängen und warf ihr „mangelhafte Recherche“ vor – gegen diese Äußerung klagt nun die Journalistin. Sie spricht von „schwerwiegender Diffamierung meiner Arbeit“.

Das Gericht erkannte keinen schweren Eingriff in die Intimsphäre

Das Erfurter Urteil wird möglicherweise nicht das Ende der juristischen Auseinandersetzung sein: Der Anwalt des Gastronomen hatte schon beim Verhandlungstermin im Mai angekündigt, in Berufung zu gehen.

Ebenfalls abzuwarten bleibt, ob der zehnte Jahrestag des Massakers von Duisburg am 15. August Anlass sein wird, die Präsenz der ’Ndrangheta – der mächtigsten italienischen Mafia-Organisation – in Deutschland zu thematisieren. Die italienische Anti-Mafia-Direktion DIA betont in ihrem aktuellen Bericht vom Juni 2017 den einheitlichen Charakter der ’Ndrangheta. Auch eine vom BKA in einem Bericht aus dem Jahr 2008 ausführlich dargestellte Zelle in Erfurt, die personell mit der in Duisburg verknüpft war, wäre demnach der Zentrale in Kalabrien rechenschaftspflichtig.

Da die ’Ndrangheta laut DIA den Kokainhandel nach Europa kontrolliert, müssen laufend enorme Geldsummen gewaschen werden. Dafür eignen sich insbesondere Immobilien und Gastronomiebetriebe.

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