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Prozess gegen argentinische MilitärjuntaGeneration Gerechtigkeit

In einem Verfahren wegen Kindesraub stehen die noch lebenden Chefs der Militärjunta vor Gericht. Etwa 500 Kinder wurden in Haft geboren, ihre Mütter getötet.

Auf diesen Prozess haben viele Argentinier lange gewartet: Jorge Rafael Videla war der erste, Reynaldo Bignone der letzte Chef der von 1976 bis 1983 andauernden Militärherrschaft. Bild: dapd

BUENOS AIRES taz | In Argentinien stehen seit Montag die Exdiktatoren Jorge Rafael Videla und Reynaldo Bignone wegen mutmaßlichen Kindesraubs vor Gericht. Ihnen wird vorgeworfen, sich in der Haft geborene Babys von politischen Gefangenen während der letzten Militärdiktatur angeeignet zu haben. In dem Prozess soll auch die Frage geklärt werden, ob es einen systematischen Plan zum Kindesraub gab. Am Montag wurde nur die Anklage verlesen, die Angeklagten äußerten sich noch nicht.

Die Menschenrechtsorganisation "Großmütter der Plaza de Mayo" schätzt, dass während der Diktatur rund 500 Säuglinge ihren Müttern in Folterzentren weggenommen und heimlich Adoptiveltern übergeben wurden. Die Frauen wurden in der Regel ermordet. Durch intensive Suche konnten die "Großmütter von der Plaza de Mayo" bisher 102 geraubte Enkelkinder ausfindig machen. Der Umkehrschluss legt nahe, dass rund 400 Menschen, die heute bereits über 30 Jahre alt sind, ihre wirkliche Identität nicht kennen.

Die beiden ehemaligen Chefs der Militärjunta, der 85-jährige Videla als erster Chef und der 83-jährige Bignone als letzter Chef der von 1976 bis 1983 andauernden Militärherrschaft, sind zusammen mit sechs weiteren Exmilitärs angeklagt.

In dem auf knapp ein Jahr angesetzten Prozess werden exemplarisch 34 Fälle von Kindesraub verhandelt. 370 Zeugen sollen gehört werden. Zwölf der geraubten Kinder kamen in der berüchtigten Mechanikerschule der Marine ESMA, dem bekanntesten Folterzentrum der Hauptstadt, zur Welt."Das ist ein historischer Tag, denn wir richten über jene, die uns in Geiseln verwandelten, in eine wirkliche Kriegsbeute", sagte der heute 33-jährige Leonardo Fossati, der im Gefangenenlager Pzo de Bannfield zur Welt kam und erst im Jahr 2005 mit Hilfe einer DNA-Analyse von seiner wahren Herkunft erfuhr.

Unter den 34 Fällen ist auch die Geburt des kleinen Guido, dem Enkel der Vorsitzenden der "Großmütter der Plaza de Mayo", Estela de Carlotto. Carlottos Tochter Laura war im November 1977 verschleppt worden. Am 25. oder 26. Juni 1978 brachte sie im Militärhospital La Cacha einen Jungen zur Welt. Fünf Stunden waren Mutter und Sohn nach der Geburt zusammen, dann wurden sie getrennt. Beide sind bis heute verschwunden.

Dass der Kindsraub stattfand, ist unstrittig. In dem Prozess geht es darum, die Verantwortlichkeiten den mutmaßlich Beteiligten zuzuordnen. Zudem will die Staatsanwaltschaft nachweisen, dass es einen systematischen Plan zur illegalen Aneignung der Neugeborenen gegeben hat. "Ziel des Planes war die Verbreitung des Terrors, die Unterwerfung und die Vernichtung der Gegenseite. In diesem Rahmen mussten die Blutsbande getrennt werden, sprich die Mütter von ihren Kindern getrennt werden", sagte Staatsanwalt Federico Delgado beim Prozessauftakt.

Wichtigstes Indiz dafür ist für die Staatsanwaltschaft die eigens für die Geburten in den Lagern eingerichteten geheimen Entbindungsstationen. "Geburten fanden überall statt. Aber in einigen geheimen Zentren wurden spezielle Einrichtungen dafür geschaffen. Dorthin wurden Gefangene gebracht, mit dem einzigen Zweck, um zu gebären", so Staatsanwalt Delgado.

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